Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
Bewusstsein wi e der auf seinen Körper au f merksam machen und zurückrufen. Agnar aber musste auf Unte r stützung verzichten, er konnte keinen Mitwisser gebrauchen. Stattdessen wählte er einen au s reichend großen Stein und legte ihn in eine Astgabel des Gestrüpps, die sich unter dem G e wicht weit senkte. Er legte sich so darunter, dass der Stein seinen Bauch treffen würde, wenn ein ausreichend sta r ker Windstoss früher oder später die ganze Anordnung zum Kippen bri n gen würde. Dann öffnete er seine Seele, und sein Bewusstsein verließ den Körper. Blind ta s tend bahnte es sich den Weg zurück ins Lager. Nur auf Erinnerung gestützt fand es schließlich den Wagen der Priester. Es fühlte die Nähe Wids, wartete auf einen Moment der Schwäche, der Müdigkeit, um sich Zugang zu Wids Körper zu verschaffen und mit dessen Sinnen zu ve r schmelzen.
Schemenhaft und undeutlich erahnte Agnars Geist Hände, die nicht die seinen waren. Sie z o gen T ü cher vor alle Ritzen des Wagens und durchwühlten die Tr u hen und Behältnisse. Schließlich schienen sie gefunden zu haben, was sie suchten, und Agnars Verdacht wurde bestätigt: in Wids Händen war der Beutel mit dem Bi l senkraut. Eine Handvoll davon wanderte in einen kle i nen Kessel mit heißem Wa s ser. Er fühlte ein leises Summen, während die Hä n de mit einem Holzlöffel in dem Gebräu rührten. Agnars Geist befiel Panik. Was würde mit ihm pa s sieren, wenn das Gift sich in dem Körper ausbreit e te, den er gerade mit dem eigentlichen Besitzer tei l te? Wid spürte die Nervosität, die sich in ihm regte und rührte schneller, das Su m men verlor seine Gleichförmigkeit. Agnars Geist versuchte sich aus dem Körper Wids zu lösen, doch der Kontakt zu se i nem eigenen Leib war zu schwach. Wid hob den Kessel an die Li p pen...
Ein dumpfer Schmerz riss Agnars Bewusstsein in se i nen Körper. Benommen blickte er in das G e strüpp über sich. Er rollte den Steinbrocken von seinem Bauch und richtete sich auf. Ihn schüttelte, wenn er an die Gefahr dachte, in die er sich beg e ben hatte. Aber das Wissen, das er gewonnen hatte, war das Risiko wert gewesen. Jetzt wurde ihm vi e les klar. Wid hasste in nicht nur, weil er an seiner Abstammung zweifelte, sondern viel mehr noch deshalb, weil Agnar Kenntni s se besaß, die Wid niemals besitzen würde. Trotz seiner vielbeschw o renen h o hen A b stammung hatte sich Wid niemals die Fähi g keiten eines wahren Druiden aneignen können. Zu sehr hatte er sich Zeit seines Lebens nach der Pos i tion Bojords verzehrt, als dass er für die Au f gabe, die vor ihm lag, einen Gedanken hätte aufbringen können. Jetzt neidete er seinem Neffen die Erfolge auf einem Gebiet, das ihn nie intere s siert hatte und kämp f te d a mit, den Schein vor den Anderen aufrecht zu e r halten. Fjörm hatte das g e wusst und de s halb so sehr darauf gedrängt, Agnar schon als Kind in die Prieste r schaft aufzunehmen. Solange Fjörm am Leben war, hatten seine Fähi g keiten g e nügt, den Stämmen den Willen der Götter zu vermitteln. Nur scheinbar war es Eitelkeit gew e sen, weswegen er Wid niemals zu den Weissagu n gen zugelassen hatte. Doch nach Fjörms Tod war Wid ohne Kontrolle und die Stämme ohne Vermit t ler zu Odin. Wids Hass hatte verhindert, dass er sich der Fähi g keiten seines Schülers bediente. Stattde s sen versuchte er die Halluzinationen des Bi l senkra u trausches als Visionen auszugeben. Doch das Gift sor g te nicht nur für üble Träume, sondern zerstö r te nach und nach seine ohnehin schon krankhafte Pe r sönlichkeit.
Nachdem Agnar das alles klargeworden war, spürte er, dass er sich sicherer fühlte. Wid verlor in seinen Augen viel von seinem Schrecken. In der nächsten Zeit fiel es Agnar leichter, die Bo s haftigkeiten se i nes Onkels zu ertragen. Sein Auftreten wurde selbstb e wusster. Auch wenn er es nicht wagen dur f te, sich zur Wehr zu setzen, so drückte seine Ha l tung und seine Miene doch die Verachtung aus, die er für den Älteren empfand. Agnar hatte erwartet, dass Wid sich provoziert fü h len, dass die Lage sich weiter zuspitzen würde, doch seltsamerweise kam es zu einer Art Wa f fe n stillstand, und Wid begann seinen Griff zu lockern. Zu früh glaubte Agnar, dass der Kampf beendet und der Konflikt in einen Zustand gegenseitiger Missac h tung beigelegt sei. Denn Wid ha t te seine Pfeile noch lange nicht ve r schossen.
Der Treck war im dreizehnten Jahr unterwegs, vier Jahre waren vergangen seit dem
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