Der Kimber 2. Buch: Rache (German Edition)
alle Berge sein.“
„Oder als Krabbenfutter am Fuße einer Klippe liegen. Wie dem auch sein mag, wir werden in Rom Bescheid geben müssen, das wird unangenehm. Aber immerhin war der Barbar ein Freigelassener, wir hatten keine Mö g lichkeit ihn aufzuhalten.“ Als sie an diesem Punkt ang e langt waren, hörten sie von draußen aus dem Hof aufg e regte Stimmen. Einige Sekunden später schoben zwei Sklaven den Vermi s sten zur Tür herein. Timaios war trotz seiner vorg e blichen kühlen Überlegenheit sichtlich erleichtert.
„Flavus, mein guter Freund! Was für eine A u fregung am frühen Vormittag. Hast du einen kleinen Spaziergang gemacht? Wir alle wären dir dankbar, wenn du das näch s te Mal einfach Bescheid sagst. Du könntest uns einen Menge Aufregung ersparen.“
„Es tut mir leid, wenn ihr euch meinetwegen au f geregt habt, ich wusste nicht, dass ich hier unter Bewachung stehe.“
„Oh nein, von Bewachung kann ja überhaupt keine Rede sein, wir haben uns nur Sorgen gemacht. Wie leicht ve r fehlt jemand, der sich hier nicht auskennt, den richtigen Weg und stürzt die Klippen hinunter. Wo wir uns doch eben erst kennen lernen.“
Der Barbar maß ihn mit einem kühlen Blick. Timaios schob ihn an der Schulter ins Tri k linium.
„Du musst mir unbedingt erzählen, wohin dich dein Sp a ziergang geführt hat.“
Timaios wandte sich an den Verwalter.
„Und du lässt uns jetzt bitte unser Frühstück bri n gen.“
Mit diesen Worten nötigte er den Barbaren auf eines der Sofas und wedelte ungeduldig mit der Hand in Richtung des Verwalters. Dieser entfernte sich zähneknirschend.
Während des Frühstücks versuchte Timaios, ein G e spräch in Gang zu halten, doch die Antworten kamen einsilbig, und jeder neue Anlauf versickerte angesichts der mange l nden Gesprächsfreude seines Gegenübers. Timaios fühlte sich langsam überfo r dert und verzichtete schließlich darauf, seine Monologe fortzuführen, sondern brachte seine Mahlzeit schweigend zu Ende. Er em p fand die Stille im Raum als persönlichen Fehlschlag, denn insg e heim hatte er sich doch ein wenig darauf gefreut, seine pädagogischen Fähigkeiten zum Einsatz zu bri n gen. Als er gerade klingeln wollte, um abräumen zu lassen, räusperte sich sein Gast. Timaios beschloss, noch einen Moment zu warten und hörte nun tatsächlich den e r sten freiwilligen Satz von seinem Gegenüber.
„Darf ich dich etwas fragen?“
„Aber natürlich! Nur zu! Immer heraus damit! Tu dir keinen Zwang an!“
„Das Meer, das ich heute gesehen habe.... Nein, anders... in dem Haus, in dem ich in Rom war, habe ich Bilder gesehen, Bilder von Wesen, von Frauen, deren Körper in die Leiber von Fischen übergingen. Ich habe noch nie von solchen Wesen gehört und frage mich, ob sie wohl in di e sem Meer hier wohnen.“
Timaios unterdrückte ein Kichern, er kannte die Mos a iken im Atrium in Rom und wusste, was der Riese mei n te. Möglichst ernsthaft und ohne sein Gegenüber läche r lich machen zu wollen, erklärte er: „Diese Wesen sind in der Natur nicht zu finden. Es sind Erfindungen, G e schichten, die man den Ki n dern erzählt, verstehst du?“
Und er blickte dem Barbaren forschend ins Gesicht, um herauszufinden, ob er den U n terschied kannte. Doch in diesem Moment fiel ihm wieder jener jünglingshafte Zug um die geschwungene Oberlippe auf, der ihn schon ge s tern Abend so angerührt hatte, und er beeilte sich fortz u fahren.
„So sagen die Menschen hier, die sich für vernünftig und klug halten, doch dort, wo ich herkomme, glauben die Menschen seit Tausenden von Jahren, dass diese Wesen in unserem Meer leben. Sie sind die Kinder des Gottes der Meere, und sie lieben nichts mehr, als sich mit den Menschen zu verbinden. Um sich ihren Lieblingen n ä hern zu können, haben die Götter ihnen wundervolle Stimmen ve r liehen. Denn jeder Mann, der den Gesang der Sirenen vernimmt, ist ihnen unrettbar ve r fallen. Er muss ihnen folgen und kommt nie wieder aus den Fluten zurück. Für die Seinen verloren, lebt er bis ans Ende aller Zeiten in den Tiefen der Meere in ihren Behausungen.“
„Wenn die Menschen in Rom ihrer Vernunft glauben und die Menschen deiner Heimat ihren alten Geschic h ten, wer von beiden ist dann im Recht?“
„Das kann wohl niemand mit letzter Gewissheit en t scheiden. Du hast das Meer ja heute Morgen gesehen, wer weiß schon mit S i cherheit, welche Geheimnisse es birgt? Aber wenn ein Schiff im Sturm kentert und sinkt, was glaubst du wohl, welche
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