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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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eine neue Strategie.«
    »Was schlägst du vor?«
    Peter nickte gedankenverloren, als wollte er sich selbst von seiner Idee überzeugen. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Einen Frontalangriff.«
    Tanngnost hob die struppigen Brauen. »Peter, du weißt, dass es zu viele sind, um …«
    »Uns rinnt die Zeit davon. Wenn sie durch den Flüsterwaldkommen, dann ist alles verloren. Welche andere Wahl haben wir? Wisst ihr etwas?«
    Tanngnost fiel nichts ein.
    Peter musterte ihn mit grimmig entschlossener Miene. »Dies ist das Ende, alter Freund. So oder so ist es das Ende.«

 

     
KAPITEL 15
Die Neckerbucht
     
    Nick spürte, dass die Hitze wie Gift durch seine Adern strömte. Die Haut an seinen Armen kribbelte und fing an zu brennen. Vor seinen Augen verschrumpelte sie und wurde schwarz. Krallen wuchsen ihm aus den Fingern und bohrten sich durch seine Haut. Er stieß ein langes, qualvolles Heulen aus, und dann sah er sie – drei kleine Feen, nicht größer als Vögel –, und sein Klagelaut wurde zu einem tiefen, hungrigen Knurren. Die Feen hockten in einer Astgabel und zitterten, vor Angst völlig verschreckt. Sie hatten offensichtlich Angst vor ihm. Er grinste, spürte, wie gezackte Zähne hinter seinen Lippen zum Vorschein kamen, und schnappte sich zwei von ihnen. Langsam zerdrückte er sie. Ihre Augen traten hervor, und er spürte, wie ihre winzigen Knochen in seinen Händen knackten und brachen. Ihre Schreie waren Musik in seinen Ohren. Er biss ihnen die Köpfe ab, zermahlte ihr Fleisch und ihre Knochen zwischen den Zähnen und stopfte sich die nassen Eingeweide in den Mund. Nick griff nach dem Letzten, einem kleinen Jungen. Der Junge schrie, nur war es kein kleiner Feenschrei, der aus seiner Kehle drang, sondern sein eigener, Nicks. Er hörte sich schreien und schreien, vor Angst, vor Schmerz, vor Trauer über einen unbeschreiblichen Verlust.
     
    Nick fuhr von seinem Lager hoch. Er war schweißgebadet, und sein Bauch brannte. Inzwischen verblassten die Albträume nicht mehr. Dafür waren sie zu real, zu lebensecht. Er hatte den Geschmack der Feen beinahe noch auf der Zunge.
    Nick wollte nicht wieder einschlafen. Er hatte Angst, dass er erneut träumen würde. Er fragte sich, warum er hier scheinbar der Einzige war, der Albträume hatte. Er sah zu Danny hinüber. Der Junge schlief wie ein Neugeborenes. Danny war nur ein oder zwei Tage vor ihm hier eingetroffen.
    Nick öffnete seinen Käfig und stand auf. Das erste Licht der Morgendämmerung drang gerade durch die Fenster und ließ den dünnen Nebel schimmern. Die anderen waren noch nicht wach. Hier und da sah er ein paar Pixies auf der Suche nach Essensresten umherschwirren. Sie behielten ihn wachsam im Auge.
Sie haben Angst vor mir
, dachte er. Das hätte eigentlich gut sein sollen, stattdessen verlieh es Nick das Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmte, dass er eine Krankheit hatte, etwas Ansteckendes, etwas Grauenhaftes.
    Nick streckte sich und war überrascht, dass er von der langen Wanderung am gestrigen Tag keinen Muskelkater hatte. Wenn überhaupt, fühlte er sich recht agil. Er ballte die Fäuste. Fühlte sich stark. Wahrscheinlich lag es an der Grütze. Das Zeug machte
wirklich
etwas mit ihm. Einmal mehr stellte Nick sich unwillkürlich die Frage, was für eine Wirkung es genau hatte.
    Er ging aufs Klo. Die Luft war noch von Nachtkälte erfüllt, und die Steine fühlten sich unter seinen nackten Füßen angenehm kühl an. Er trat ein, hörte ein Fauchen und sah die beiden Wichte, die direkt über Kopf in den Balken nisteten und ihn misstrauisch musterten. Nick beachtete sie nicht weiter, hielt den Kopf unter die Wasserpumpe und trank in tiefen Schlucken, um das Feuer in seinem Bauch und den schrecklichen Geschmack in seinem Mund fortzuspülen. Dann trat er in die Halle zurück. Er setzte sich an ein Ende der langen Tafel und sah zu, wie das Morgenlicht nach und nach die Halle erfüllte. Er starrte auf die Strohpuppen, die in den Schatten hingen. Sie erinnerten ihn nach wie vor an tote Kinder.
    Immer wieder kehrten seine Gedanken zu seiner Mutter zurück.In den letzten Jahren hatte er beinahe angefangen, sie zu hassen. Wie war es dazu gekommen? Warum? Woher stammte diese Feindseligkeit? Warum wies er sie andauernd zurück, warum machte er alles so schwer? So viele ihrer Streitereien erschienen ihm auf einmal dumm und unbedeutend.
    Geistesabwesend strich er über das weiche Fell des blauen Hasenfußes und dachte an die Tage nach der Beerdigung

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