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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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senkte sich über den Saal, und die Kinder beugten sich vor.
    »Vor Anbeginn der Ewigkeit war die Welt selbst lebendig. Sie war ein Ort der Rätsel, der Natur und der Magie. Das war die Zeit der ersten Völker, als die Götter noch unter uns wandelten und wir uns an ihren Wundern und ihrem Zauberwerk erfreuten. Die Menschlinge teilten diese Welt nur einen Lidschlag lang mit uns, bevor sie bedauerlicherweise
aufgeklärt
wurden und zu Wissenschaft und Religion fanden. Die neue Welt der Menschen bot kaum Platz für Magie und die Zauberwesen aus alten Zeiten. Die ersten Kinder der Erde wurden mit Feuer und kaltem Eisen in die Schatten getrieben und wichen dem unstillbaren Eroberungsdurst der Menschen. Diejenigen, die der Verfolgung durch die Menschen entkamen, sammelten sich um Modron, die Dame vom See, Tochter des großen Avallach. Sie entließ den Nebel in die Welt, um Avalon zu verbergen und zu bewachen, und die Insel wurde zu einer Zuflucht vor der Menschenwelt. In Avalon gibt es einen heiligen Ort – den Hort. In seinem Zentrum liegt der Baum Avallachs. Seine Wurzeln halten ganz Avalon zusammen. Es heißt, dass Avallachs Blut durch diese Wurzeln fließt. Der Baum ist das Herz, Avalon ist der Leib, seine Bewohner sind die Seele, und alle drei sind zu einem einzigen lebenden Geschöpf verwoben. Das eine kann ohne das andere nicht existieren. Ihr alle seid Teil dieser Einheit.«
    Tanngnost ließ den Blick über die Kinder schweifen und richtete ihn auf etwas jenseits der Halle.
    »Eine Weile nach dem Verrat von König Artus und seiner schurkischen Tafelrunde begann Avalon, sich von der menschlichen Zivilisation zu entfernen. Die Insel verließ Britannienund trieb für ein gesamtes Zeitalter an den frostigen Küsten des Atlantiks entlang, bis sie schließlich ein Zuhause in dem Land fand, das heute als die Amerikas bekannt ist. Das war ein goldenes Zeitalter für Avalon, denn hier waren wir weit weg vom intoleranten Gott der Menschlinge. Dieses neue Land war noch immer ungezähmt und voller Magie, es ähnelte den frühen Altern der Welt. Die Einheimischen Amerikas waren eins mit der Natur und verehrten und fürchteten ihren Zauber gleichermaßen. Mit der Zeit begannen wir dem Frieden zu vertrauen und zu glauben, dass wir vor den Übeln der menschlichen Zivilisation sicher wären. Die Dame rief den Nebel in die Seen zurück, und einmal mehr konnte das Zaubervolk des Nachts unter dem Mond und den Sternen tanzen und tagsüber in der Sonne baden. Die Einheimischen kamen und erwiesen der Dame ihre Ehrerbietung. Wir lehrten ihren Schamanen unsere Magie und gaben einander handwerkliches Wissen weiter, ebenso Feldfrüchte und Wild, so, wie wir es mit den Druiden vergangener Zeiten getan hatten. Dann kamen die Schiffe.«
    Tanngnost hielt inne und holte tief Luft.
    »Eines Tages schaute ich zum Horizont und sah, dass in der Neckerbucht drei große Galeeren vor Anker lagen. Drei Schiffe voller Männer, Frauen, Kinder, Hunde, Schweine, Geflügel, Ziegen, Krankheiten und Ungeziefer. Ihr Gestank drang bis tief in den Wald. Ich beobachtete, wie sie in Scharen an Land wateten, eine Schiffsladung nach der anderen. An die dreihundert Männer und Frauen landeten und verschmutzten unsere Flüsse mit ihrem Dreck. Ihre Priester stellten ein kaltes Eisenkreuz am Strand auf und befleckten unser Land mit ihren Segnungen. Wir waren in den entferntesten Winkel der Welt geflohen, um ihrer Tyrannenherrschaft zu entkommen, und nun waren sie einmal mehr hier, direkt an den Küsten unseres geheiligten Avalon. Bei ihrem Anblick ergriffen alle Zauberwesen dieFlucht. Wir versteckten uns tief im Wald und sahen von den Hügeln aus zu. Wir hofften, dass sie sich das, was sie brauchten, holen und dann verschwinden würden. Stattdessen schlugen sie ein Lager auf, und bald traf noch ein Schiff ein und danach noch eines. Fünf Schiffe lagen in unserem Hafen. Wie viele waren noch auf dem Weg? Wir hatten keine Möglichkeit, es herauszufinden.«
    Die Teufel wagten kaum zu atmen und lauschten gebannt.
    »Daraufhin hielten die Völker von Avalon Rat mit der Dame. Die Dame schickte eine Gesandtschaft, die zahlreiche Feenvölker repräsentierte, zu den Menschen, um ihnen mitzuteilen, dass dies unser Land sei, und um sie darum zu bitten, es zu verlassen. Die Delegation führte Hiisi an, der lebenslange Freund und engste Vertraute der Dame. Ich kann mit Stolz sagen, dass mein Bruder Tanngrisnir ebenfalls dabei war, um die Trolle Avalons zu vertreten. An jenem Tag

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