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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Vorausgesetzt, er kam überhaupt lebend aus Brooklyn raus. Jetzt flossen die Tränen. »Ich weiß es nicht«, platzte es aus ihm heraus.
    Während Nick laut schluchzend die Hände vors Gesicht schlug, blieb der goldäugige Junge an seiner Seite. Er sagte kein Wort, sondern saß einfach nur da und wartete, bis Nick aufhörte zu weinen.
    »Ich weiß, wo wir hinkönnen.«
    Nick rieb sich die Augen und schaute ihn an.
    »Avalon«, sagte Peter. »Dort habe ich eine Feste.«
    Nick hob die Brauen und rang sich ein ironisches Lächeln ab. »Eine Feste?«
    »Es ist ein geheimer Ort. Eine verzauberte Insel. Erwachsene haben keinen Zutritt. Dort gibt es Feen, Kobolde und Trolle. Wir bleiben so lange auf, wie wir wollen. Es gibt keine Lehrer oder Eltern, die einem sagen, was man zu tun hat. Wir müssen nicht baden, uns nicht die Zähne putzen und nie unsere Betten machen. Wir spielen mit Speeren und Schwertern, und manchmal …«, er senkte die Stimme, »… kämpfen wir gegen
Ungeheuer

    Nick schüttelte den Kopf und grinste schief. »Peter, du bist echt durchgeknallt.«
    »Möchtest du mitkommen?«
    Nick zögerte. Er wusste, dass Peters Gerede von einem geheimen Ort, von Feen und all dem Quatsch natürlich nur Spaß war, aber die Art, wie er es sagte, erweckte einen anderen Eindruck. Man war beinahe versucht, ihm zu glauben. Aber ob Peter nun die Wahrheit sagte oder nicht, die Vorstellung einer Zuflucht, in der Nick schlafen und vielleicht etwas Zeit mit anderen Ausreißern verbringen konnte, die Vorstellung, dass es noch eine andere Möglichkeit gab, als allein im Dunkeln zurückzubleiben,
allein
, klang gut.
    »Wohnst du dort?«, fragte Nick.
    »Jau.«
    »Stört das deine Eltern nicht?«
    »Ich habe keine Eltern.«
    »Oh. Ich auch nicht. Nicht mehr.«
    Eine ganze Weile schwiegen sie.
    »Eine Feste«, sagte Nick dann. »Und Feen und Pixies, was?«
    Peter nickte grinsend.
    Mit einem Mal stellte Nick fest, dass er Peters Grinsen erwiderte.
     
    Als Nick nachfragte, erklärte ihm Peter, dass seine Feste »gleich dort drüben« liege, wobei er grob in Richtung des New York Harbour zeigte. Nick nahm an, dass er damit unten am Hafen meinte.
    »Komm mit«, sagte Peter und schlug seine Kapuze hoch. »Du wirst schon sehen.«
    Also folgte Nick dem goldäugigen Peter durchs nachtdunkle Brooklyn. Sie achteten zwar nach wie vor darauf, viel befahrene Durchfahrtsstraßen und Ecken, an denen Teenager rumhingen, zu meiden, flohen aber nicht mehr durch enge Seitenstraßen oder versteckten sich hinter Bäumen. Nick hatte das Gefühl, dass er sich keine Sorgen mehr wegen Marko machen musste, jedenfalls nicht so weit westlich, trotzdem konnte er es sich nicht verkneifen, nach dem grünen Lieferwagen Ausschau zu halten. Doch nach einer Weile entspannte er sich, seine Schritte wurden beschwingter, und ihm wurde klar, dass er sich schlicht und einfach freute, nicht allein umherziehen zu müssen.
    Immer wieder musterte er den Jungen mit den spitzen Ohren verstohlen. Er hatte etwas Faszinierendes und Fremdartiges an sich, und in seinem Blick lag eine Wildheit, die Nick aufregend fand. Es hatte etwas mit seinen Gesten zu tun, mit seiner seltsamen Kleidung und sogar damit, wie er federnd und leichtfüßig durch die Straßen schlenderte, als wäre er der Coolste überhaupt – kühn und frech, als wollte er die Leute dazu herausfordern, seine Anwesenheit hier in Frage zu stellen. Nichts entging seiner Aufmerksamkeit, kein umherfliegendes Kaugummipapier, keine gurrende Taube, kein fallendes Blatt. Und immer wieder blickte er zu den Sternen hinauf, wie um sich zu vergewissern, dass sie noch da waren.
    Er war anders als alle Straßenkinder, die Nick bisher gesehen hatte. Seine Kleidung war zwar abgetragen und schmutzig, aber er selbst war nicht verdreckt. Klar, er war ein bisschen durchgeknallt, aber er machte nicht den Eindruck, als ob er Drogen nahm. Sein Blick war klar und durchdringend – trotz seiner goldenen Augen. Aber obwohl Peter ihm wie ein Freund vorkam, wie der beste Freund, den man haben kann, einer, der ihm jederzeit den Rücken freihalten würde, erinnerte Nick sich immer wieder daran, dass er nichts über diesen seltsamen Jungen wusste und allen Grund zur Vorsicht hatte. Außerdem verbarg sich hinter Peters ansteckendem Lachen und seinem schelmischen Grinsen noch etwas anderes, etwas, was Nick keine Ruhe ließ, was er nicht genau benennen konnte, etwas Böses, etwas …
Gefährliches
.
    Der Duft von Nektarinen stieg Nick in die Nase und

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