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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Albtraum wird verschwinden.
Er hob das Messer, bereit, es ihr in den Hals zu stoßen.
    Sie drehte sich mit einer einfachen, eleganten Bewegung um und richtete ihren unnachgiebigen, eisigen Blick auf ihn. Ihre Augen hielten ihn fest und schauten direkt in sein Innerstes. Nick hörte, wie der Fremde in ihm aufheulte. Er konnte sich nicht von der Stelle rühren, konnte nicht einmal blinzeln, als ihm die Tränen übers Gesicht zu kullern begannen.
    Sie packte ihn am Handgelenk, und obwohl sie dünn und zerbrechlich wirkte, war ihr Griff wie ein Schraubstock und ihre Berührung beißend kalt. Nick stieß einen leisen Schrei aus, und das Messer fiel ihm aus der Hand.
    Peter und der Troll wechselten einen hastigen Blick, und sofort sprang Peter an ihre Seite. »Meine Dame, was ist?« Er starrte Nick finster an, als wäre er bereit, ihn an Ort und Stelle aufzuschlitzen.
    Sie antwortete nicht, sondern zog Nick einfach zum Teich, und der Junge stellte fest, dass er ihrem Willen nichts entgegenzusetzen hatte. Bevor er auch nur zum Luftholen kam, zog sie ihn unter die dunkle Wasseroberfläche und auf den Grund. Er wusste, dass sie ihn ertränken wollte. Der Fremde in ihm schrie, und diesmal schrie auch Nick. Seine Lungen füllten sich mit Wasser, und einen Moment lang war er verwirrt. Er erwartete Schmerzen, erwartete zu ersticken, zu ertrinken, stattdessen schmeckte das Wasser süß. Es strömte in seine Lungen wie ein Hauch frischer Frühlingsluft, löschte das Feuer in seinem Bauch und linderte das Pochen in seinem Schädel.
    Nick spürte einen Pulsschlag, doch es war nicht sein eigener. Der Laut kam von überall um ihn herum. Er konnte mehrere große, verschlungene Umrisse ausmachen, die sich abwärtsringelten und in der Tiefe verschwanden, und ihm wurde klar, dass er sich unter dem Apfelbaum befand und es sich um Wurzeln handeln musste. Er legte die Hand an eine davon und spürte ihren Pulsschlag, die Wärme, die durch die dicke Wurzel strömte wie durch eine große Arterie.
    Die Dame hielt ihn bei der Hand, während sie weiter hinabsanken. Ein sanftes Leuchten stieg zu ihnen auf und umfing sie, und plötzlich war alles klar zu sehen. Nick erkannte Sterne und den Mond. Er sah Avalon, nicht wie es derzeit war, sondern wie es einmal gewesen war. Wie ein Fisch schwamm er durch den Wald, durch die Täler und über die Auen. Er sah den Funkelschein von einer Million Feen, Nymphen, die um hohe Menhire tanzten, Zentauren, die über Wildblumenwiesen galoppierten, und Bäume jeder Farbe, die im Mondlicht schimmerten. Er nahm die Magie wahr, die hier alles durchströmte, eine glänzende Aura, eine zerbrechliche Essenz, die geschützt werden musste. Nick griff nach der Magie, und sie streckte sich ihm entgegen und erblühte in seiner Brust wie Liebe. Er hörte ihre Stimme, wie ein Lied, leise und weit entfernt.
Ich bin dein Wald, deine Erde, deine Ewigkeit. Ich bin dein Leben. Ich bin dein Tod. Ich bin für immer alles und auf ewig. Liebe mich. Liebe mich. Liebe mich auf ewig
.
    Ja
, antwortete er.
Auf ewig.
    Sie zog ihn nach oben, auf den Mond zu. Das Rund wurde größer und größer, und mit einem Mal durchbrach Nick die Wasseroberfläche. Er keuchte, hustete und holte tief Luft.
    Peter und der Troll standen mit erwartungsvollen und besorgten Mienen an der Treppe.
    Die Dame ließ Nick am Ufer zurück, trieb davon und verschwand unter der dunklen Wasseroberfläche.
Geh nicht fort
, dachte Nick und streckte den Arm nach ihr aus. Der Garten verschwamm vor seinen Augen. Ihm war schwindelig, und er war nicht in der Lage, sich etwas anderes zu wünschen, etwas anderes zu wollen oder seine Gedanken auf etwas anderes zu richten als die Dame.
Auf ewig
.

 

     
KAPITEL 18
Caliburn
     
    Ulfger trat unter einem Torbogen mit einem großen Elchgeweih hindurch und stieg die gewundene Treppe hoch, die sich an der nackten Granitwand emporschlängelte. Seine Beine und Lungen brannten, doch er blieb nicht stehen, bis er hoch überm Tal vor der Halle der Könige stand.
    Vor ihm ragte eine Kuppelhalle auf, lockte ihn und wollte wissen, ob er es wagte, den Toten einen Besuch abzustatten. Er stolperte vorwärts und hielt sich am Torbogen fest. Der Schweiß rann ihm in Strömen übers Gesicht, und er schöpfte keuchend Atem. Das Licht, das durch die Buntglasdecke fiel, tauchte die Halle in einen sanften Smaragdschimmer, und die großen, ovalen Fenster gewährten den Toten Aussicht auf das Tal, das unter ihnen lag.
    Vor Ulfger moderten die Knochen von

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