Der Kinderdieb
ich von der Dame erfahren hatte, ergab die ganze Sache mehr Sinn. Uns wurde klar, dass der Wald und seine Geschöpfe tatsächlich Teil ihres Zauberwerks waren und dass unsere Bemühungen nicht vergeblich waren. Wir schworen uns, nicht aufzugeben, bevor wir sie entweder gefunden oder jede Spur ihrer Magie von diesem Land getilgt hatten.«
Er zögerte kurz, bevor er weiterredete.
»Das ist die ganze Wahrheit. Es ist klar zu erkennen, dass man uns in eine Falle gelockt und unentwegt gequält, verfolgt und geplagt hat. Als wäre das nicht Elend genug, hat die Zauberin zusätzlich zu diesen Schurkereien auch noch diesen Dämonen beschworen, diesen Peter, damit er für sie Kinder überlistet und stiehlt. Damit er unschuldige Jungen und Mädchen verhext, sodass sie zu
Mördern
werden! Um uns dazu zu zwingen, diese Kinder zu unserem eigenen Schutz zu
töten!
« Der Kapitän atmete tief durch. »Seht mich als das, was ich bin. Unter dieser grausigen Haut bin ich ein Mensch, ein Vater zweier Söhne. Glaubt ihr etwa, ich würde jemals einem Kind etwas zuleide tun wollen? Habt ihr überhaupt eine Vorstellung davon, wie sehr mir dieser Gedanke zuwider ist? Erkennt ihr denn nicht, was Peter ist? Wie er und die Dame euch benutzen? Wie bereitwilligsie euer Leben opfern? Das ist euch doch sicher bewusst? Oder?«
Der Kapitän ließ ihnen einen Moment Zeit zum Nachdenken, damit seine Worte sacken konnten.
»Wir wollen nur von dieser gottverlassenen Insel verschwinden. Hört auf eure Herzen. Wer von euch will mir helfen?«
Der Kapitän verschränkte die Hände hinterm Rücken und ging zurück an seinen Tisch. Er stellte zwei Becher vor sich und schenkte ein, wobei er das Wasser bedächtig in die Trinkgefäße plätschern ließ. Dann schob er einen der beiden Becher über den Tisch. Er schaute von einem Gesicht zum andern.
»Also, wer trinkt einen Becher Wasser mit mir?«
Die Jungen schwiegen.
Der Kapitän hatte nicht damit gerechnet, dass einer von ihnen sein Angebot annehmen würde. Zumindest jetzt noch nicht, solange sie nicht begriffen, was auf dem Spiel stand. Er warf einen Blick zu den beiden Predigern hinüber. Es waren Männer, die auf ihrer Suche nach der Reinheit des Glaubens einst Päpsten und Königen die Stirn geboten hatten, doch jetzt waren sie kaum mehr als abergläubische Dummköpfe.
»Der Älteste unserer Prediger«, der Kapitän nickte dem Mann mit dem schiefen Gesicht zu, »glaubt, dass jeder Einzelne von euch von einem körperlosen Dämon besessen ist. Als ein Mann Gottes ist es seine heilige Pflicht, alles zu tun, um eure Seelen zu erretten. Austreibungen sind ein höchst schwieriges und kompliziertes Unterfangen. Euer Gnaden, wenn es nicht zu viel verlangt ist, wärt Ihr nun bereit, diesen Jungen die Feinheiten Eures Handwerks auseinanderzusetzen?«
Der Älteste nickte und erhob sich, während die Jungen ihn misstrauisch beäugten.
»Wir haben herausgefunden«, erklärte der Prediger sachlich, »dass wir das Opfer im Falle einer Besessenheit durch einen Dämon einer Reihe von Peinigungen unterziehen müssen, umihm diesen Dämon auszutreiben. Der Wirtskörper muss so ungastlich werden, dass der Dämon es nicht länger erträgt, darin zu verweilen. Wir beginnen mit dem Untertauchen, da diese Methode dem Besessenen am wenigsten Schaden zufügt. Dabei werdet ihr lediglich so lange unter Wasser gehalten, bis ihr beginnt zu ertrinken – nötigenfalls mehrmals hintereinander. Wenn das in unseren Augen nicht ausreicht, um den Besessenen von seinem Dämon zu befreien, fahren wir mit der Brandzeichnung oder mit kleineren Verbrennungen an den Gliedmaßen fort. Sollte das noch immer keinen Erfolg zeitigen, versuchen wir es mit dem Brechen von Knochen, angefangen mit den kleineren in euren Fingern bis hin zu den Armen und Beinen. Wenn alles andere versagt, lassen wir den Besessenen brennen, bis der Tod eintritt, da dies der einzig sichere Weg ist, dessen Seele zu reinigen.«
Selbst nach all den Jahren verblüffte es den Kapitän noch, dass der Prediger die Folterungen von Kindern schildern konnte, ohne dabei mehr Regung zu zeigen, als wenn er erklärt hätte, wie man aus Sahne Butter macht. Doch letztlich verlieh genau das seinen Worten ihre besondere Eindrücklichkeit, und zu seiner Zufriedenheit stellte der Kapitän fest, dass sie ihre Wirkung auch bei diesen Jungen nicht verfehlten. Ihm entging nicht, wie sie gehetzte Blicke wechselten, und er konnte die Angst in ihren Augen deutlich erkennen.
»Es gibt da noch
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