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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Auges willkommen zu heißen.
    »VERDAMMT NOCH MAL, PETER!«
, brüllte Nick.
»GIB NICHT AUF! WAGE ES NICHT …«
Dann bemerkte Nick den Baum. Ein ganzer Baum, der direkt auf sie zutrieb. »Oh Mann!«, schrie er, als der Baum mit der Krone gegen den Felsen prallte, am Gestein entlangschabte, Peter seinem Griff entriss und sie beide, im knotigen Geäst verfangen, unter Wasser zog. Im nächsten Moment bestand Nicks Welt nur noch aus schaumigem Wasser und auf ihn einstürzender Finsternis. Spitze Kiesel, Zweige und Blätter prasselten auf sein Gesicht und seine Arme ein. Nicks Brustkorb zog sich zusammen, weißeFlecken tanzten vor seinen Augen, und ihm wurde klar, dass er nach allem, was er lebend überstanden hatte, letztlich doch ertrinken würde. Irgendwie gelang es ihm, Wut zu empfinden.
    Da traf Nick auf etwas Festes, dicke Finger schlossen sich um seinen Arm und zogen ihn aus den reißenden Fluten. Er fiel auf das felsige Ufer und spuckte hustend Wasser. Als er ein erschöpftes Seufzen hörte, wischte er sich Wasser und Schlamm aus den Augen. Direkt vor ihm ragte Tanngnost auf. Hinter dem Troll stand Drael mit vier Elfen, und hinter ihnen saß Peter auf dem Boden. Er sah aus wie eine ertrunkene Ratte.
    »Nicky?«, erklang eine zweifelnde Stimme. Grille trat an ihn heran. Sie wirkte hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Schrecken.
    »Geh weg von ihm«, befahl eine strenge Stimme. Schnitter, einer der Teufel, starrte finster zu ihm herab. Nick hatte noch nie mehr als zwei Worte auf einmal aus Schnitters Mund gehört, und er hatte ihn nur selten an den Spielen und Späßen im Teufelsbaum teilnehmen sehen. Er war ein ernster, distanzierter Junge mit dunklen, streng dreinblickenden Augen, und es beunruhigte Nick, dass diese Augen nun auf ihn gerichtet waren. Hinter Schnitter hatten sich die restlichen Teufel versammelt, sieben an der Zahl, und jeder einzelne von ihnen machte den Eindruck, als wollte er Nick die Kehle aufschlitzen.
    »Er ist uns Blut schuldig«, sagte Schnitter und zog sein Messer aus dem Gürtel.
    »Ach, sieh an, die Kinder wollen spielen«, erklang eine Mädchenstimme. Nick wirbelte herum und sah die drei Schwestern, eine Handvoll Barghests und die Hexe.
    Die Teufel umstellten Nick. Er blickte zu Peter hinüber, doch der hatte sich mit den Händen überm Kopf am Boden zusammengerollt und war für den Rest der Welt nicht ansprechbar.
    »Das könnt ihr nicht tun!«, sagte Grille. »Ihr könnt ihn nicht einfach töten. Tanngnost, sag ihnen, dass sie aufhören sollen!«
    Der Blick des Trolls war traurig und hoffnungslos, aber er machte keine Anstalten, die Teufel aufzuhalten.
    »Avallach fordert dein Leben«, sagte Schnitter, und die Teufel nickten zustimmend.
    Nick schaute von einem Gesicht zum anderen, und was er sah, ließ ihn schaudern. Die Mienen der Teufel glichen aufs Haar denen der Fleischfresser im Dorf. Aus ihnen sprachen der gleiche Fanatismus und das gleiche Verlangen, Blut zu vergießen, um ihren Gott gewogen zu stimmen.
    »Lasst ihn in Ruhe«, erklang eine leise, tonlose Stimme. Peter.
    Die Teufel blickten einander verwirrt an. »Aber Peter«, sagte Schnitter. »Er hat Sekeu getötet. Er …«
    »Nein«, erwiderte Peter. »Er war’s nicht.«
    Die Teufel wirkten tatsächlich enttäuscht. »Wer war es dann?«, fragte Schnitter.
    Peter antwortete nicht. Stattdessen umklammerte er weiter seinen Kopf mit beiden Händen.
    »Das klären wir später«, sagte Tanngnost. »Fürs Erste müssen wir in Bewegung bleiben. Die Dame kann nicht weit sein.«
    Peter hob ruckartig den Kopf. »Wie? Was hast du gesagt?«
    »Die Dame, Peter. Die Fleischfresser haben sie.«
    »Sie lebt?«
    »Ja. Wusstest du das denn nicht?«
    Peter sprang auf die Beine und packte den Troll am Arm. »Hast du sie selbst gesehen? Bist du sicher?«
    »Ja«, sagte der Troll. »Ich dachte, du wüsstest es.«
    Peters Augen begannen zu leuchten, und mit einem Mal wirkte er wieder hellwach und tatendurstig. »Na, dann los!«
     
    Der Kapitän stand am Rand der dunklen, steigenden Fluten und sah die Leiche vorbeitreiben. Die Frau aus der Feste lag mit dem Gesicht nach unten im Wasser, und ihre Haarsträhnenbewegten sich wie Tentakel in der Strömung. Kurz darauf trieb ein Stück Dach vorbei und dann zwei weitere Leichen, ein Mann und eine Frau, gefolgt von einem Schwein.
    Er blickte gen Himmel. Zum ersten Mal seit so vielen Jahrhunderten sah er dort die Sterne und den Mond, der wie das Gesicht eines guten, alten Freundes zu ihnen

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