Der Kinderdieb
verspreche ich.«
Die Männer kamen wachsam näher und behielten dabei den Kapitän genau im Auge. Ochs richtete sein Schwert auf dessen Kehle, während einer der Wachleute Danny fortzog.
»Seine Waffen auch«, sagte Ochs.
Der Kapitän beäugte ihn aufmerksam, während sie ihm Schwert und Messer abnahmen. Sobald er entwaffnet war, grinste Ochs und tätschelte ihm die Wange. »Guter Mann.«
Ochs zerrte den Jungen zu der Dame hinüber. Er nahm das lose Ende des Seils, mit dem sie gefesselt war, und schlang es dem Jungen um den Hals, sodass beide zusammengebunden waren. Danny stieß einen erstickten Schrei aus, als der Hüne das Seil straff zog.
Ochs schlug ihm mit der offenen Hand gegen den Kopf. »Hör auf zu quengeln, Lümmel.«
Der Kapitän ballte die Hände zu Fäusten. Er konnte nur mit Mühe an sich halten. Bald würden sie ohnehin alle tot sein. Nichts von alledem hätte noch eine Rolle spielen sollen, trotzdem tat es das.
»ENGEL!«
, schrie plötzlich einer der Männer, und die Stimme versagte ihm vor Erregung. Er zeigte übers Wasser. »Eine Engelsstadt.«
Als der Nebel sich endgültig verzog, erschienen funkelnde, schlanke Lichttürme in der Nacht.
»Das Königreich der Himmel«, rief der Prediger und hob die Arme. Er fiel auf die Knie, und Tränen strömten ihm übers Gesicht. »Endlich wird uns das Reich Gottes zuteil!«
Der Kapitän zweifelte auf einmal an seinen eigenen Sinnen. War das etwa der Himmel? Er sah die Lichter in der Nacht, von denen einige umherschwebten, andere blinkten und wieder andere sich schnell bewegten. Waren das tatsächlich Engel? Irgendwo in der Ferne hörte er ein Horn tuten. Wind kam auf, und er roch seltsame, fremdartige Gerüche, die ein wenig an Öl und Terpentin erinnerten, aber auch bekannte Gerüche, von Fisch, Abfall und Abwassern. So ähnlich rochen die Kanäle Venedigs. Roch der Himmel nach Abwassern? Wohl eher nicht, nahm der Kapitän an.
Erneut erklang das Tuten, diesmal lauter und näher, aber es klang anders als jedes Horn, das er bisher gehört hatte. Ein weiterer langgezogener Hornstoß schallte herüber, erneut sehr viel näher und lauter. Was immer es war, es kam direkt auf sie zu. Der Kapitän spähte in die letzten Nebelreste. Durch die Nacht näherte sich ihnen zweifelsfrei etwas Großes, Leuchtendes!
»Ein Schiff!«, rief jemand.
Ja
, dachte der Kapitän, und er hörte, wie Wasser sich aneinem Bug brach, und bemerkte zwei Lichterreihen an der Backbordseite. Es war ein Schiff, und zwar ein gewaltiges.
Der Prediger erhob sich und schritt mit ausgebreiteten Armen auf das sich nähernde Schiff zu. »Der Herr kommt uns holen.«
Nick beobachtete, wie die Skyline von Manhattan durch den Nebel brach, so nah, dass er die vereinzelten Gestalten im Hafen ausmachen konnte. Der Anblick ließ sie innehalten, doch nur für einen kurzen Moment, da sie rasend schnell den Boden unter den Füßen verloren. Inzwischen waren sie den Fluten nur noch wenige Schritte voraus.
»Da sind sie!«, zischte Peter und zeigte nach vorne. Und tatsächlich waren sie dort. Mindestens siebzig Fleischfresser, die sich auf einer Anhöhe aneinanderdrängten.
Nick hatte keine Ahnung, wie ihr Plan aussah. Gegen so viele Männer konnten sie nicht das Geringste ausrichten, und bald würden sie ohnehin allesamt im Hafen sein. Aber das schien Peter nicht zu bremsen. Er rannte Hals über Kopf auf die Fleischfresser zu, sodass der Rest von ihnen alle Mühe hatte, mitzuhalten. Ächzend und keuchend versuchte Tanngnost, sich nicht abhängen zu lassen.
Ein Tuten zerriss die Stille.
Eine Fähre!
, dachte Peter. Das Geräusch kam ganz aus der Nähe.
Dort!
Er entdeckte die Lichter, und …
oh nein
, es sah danach aus, als würde sie direkt zwischen die Fleischfresser fahren!
Nick erkannte die Fähre als eine der Staten Island Ferries. Sie schien wenden zu wollen, um einer Landmasse auszuweichen, die an der Stelle gar nicht sein sollte. Die Männer sprangen zurück und hasteten aus dem Weg, als die Fähre auf Grund lief. Im nächsten Moment kletterten sie aufs Hauptdeck und enterten das Schiff.
Das dürfte interessant werden
, dachte Nick.
Die Barghests hetzten an ihm vorbei, gefolgt von den Teufelnund Elfen, und alle hielten sie auf die Fähre zu. Als Nick begriff, dass er an Bord gelangen musste, wenn er nicht einen nächtlichen Schwimmausflug unternehmen wollte, folgte er ihnen.
Der Maschinist der Fähre schaltete die Triebwerke auf Rückwärtsgang, und das Wasser schäumte. Das Heck
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