Der Kinderdieb
wenig auf. Nick erkannte Abraham, der kurz vor dem Hügelkamm war, und dann stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Direkt hinter Abraham befanden sich vieroder fünf geduckte Gestalten, bei denen es sich ganz sicher
nicht
um Menschen handelte.
Nick wollte gerade schreien, als ein entsetzliches Kreischen ihn verstummen ließ.
Es war Danny. Er lag am Boden, und über ihm kauerte ein – ein
Monster
. Es war nicht größer als eine Katze und erinnerte Nick an eine Hyäne, doch es hatte lange Arme und Klauen, die es just in diesem Moment in Dannys Arm und Schulter grub. Aus dem Ende seines langen, umherpeitschenden Schwanzes ragte ein feuchter roter Stachel, mit dem es immer wieder auf Dannys Hals und Gesicht einstach.
»OH SCHEISSE!«,
schrie Nick. Ihm fiel der Sack aus den Händen, und die Handvoll Pilze darin kullerten den Hang hinunter.
Dannys Gesicht wurde knallrot, und er schnappte mit weit aufgerissenem Mund nach Luft. Er sackte zurück, zuckte unkontrolliert und lag dann still und starrte ins Leere.
Über Grille ließ sich ein weiteres Hyänenwesen aus einem Baum fallen und schlug ihr den Speer aus der Hand. Es war ein sehr viel massigeres Exemplar, etwa so groß wie ein Schäferhund, und es hatte eine dichte schwarze Mähne um den Kopf. Auch dieses Ungeheuer verfügte über einen Peitschenschwanz, allerdings ohne erkennbaren Stachel.
Grille schrie, holte mit ihrem Eimer aus und trieb das Monster zurück. Sie versuchte, an ihm vorbeizukommen, aber es versperrte ihr fauchend und zähnefletschend den einzigen Weg aus dem Dornendickicht.
Leroy, der keine fünf Schritte von ihr entfernt war, schien wie erstarrt. Er hatte Augen und Mund aufgerissen und umklammerte seinen Speer so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
»HILF IHR!«,
schrie Nick, doch Leroy starrte nur weiter reglos auf das Geschehen.
Grille erwischte das Monster mit dem Eimer. Es sprang hin und her, schoss vor und zurück. Nick sah, wie das kleinere, rotpelzige Geschöpf sich von hinten an das Mädchen anschlich. Wenn nicht sofort jemand etwas unternahm, war Grille ebenso tot wie Danny.
Leroy stolperte einen Schritt zurück und fiel.
Da schoss Nick aus dem Gebüsch hervor, ohne die Dornen, die sich ihm in die Beine bohrten, auch nur zu spüren, ohne einen anderen Gedanken im Kopf, als dass er die Monster von Grille ablenken musste. Er hob seinen Speer und stürmte auf die beiden Geschöpfe zu, wobei er an Leroy vorbeisetzte, der gerade auf allen vieren den Hang hochkraxelte.
Das rote Geschöpf sprang Grille auf den Rücken und bohrte ihr immer wieder seinen Stachel in den Hals. Das Mädchen stieß einen herzzerreißenden Schrei aus und kippte vornüber.
»NEIN!«,
schrie Nick, rammte dem Angreifer den Speer in die Seite und schleuderte es von Grilles Schultern in den Schlamm.
Das rote Monster kreischte und schlug um sich. Schwarzes Blut strömte aus seiner Wunde.
Das schwarze Hyänenwesen stieß ein Heulen aus, bei dem Nick beinahe seinen Speer fallen gelassen hätte. Es klang wie ein menschliches Wehklagen, voller Zorn und Schmerz.
Nick befreite seinen Speer und richtete ihn auf das Ungeheuer.
Das Monster schaute ihm in die Augen und fing an, vor sich auf den Boden zu trommeln. Es bleckte die Zähne, riss Erd- und Laubklumpen hoch und schleuderte sie empor.
Es will mich zerfetzen
, dachte Nick. Er wollte wegrennen, doch er wusste, dass er dem Geschöpf nicht einmal eine Sekunde lang den Rücken zukehren durfte, sonst wäre er erledigt. Das Herz pochte ihm wie Donner in der Brust.
Das ist zu viel für mich, das kann ich nicht
. Aber dann ertönte eine neue Stimmein seinem Kopf: Sekeu, die ihm sagte, dass er durchhalten musste, dass er sich konzentrieren musste. Nick ging wie von selbst in die L-Stellung und umfasste den Speer mit zitternden Fingern fester.
Einen Versuch
, dachte er,
mehr hab ich nicht
.
Das Hyänenwesen stieß ein ohrenbetäubendes Kreischen aus und raste dann heulend und jaulend in einem irren Zickzackkurs auf ihn zu.
Konzentrier dich
, dachte Nick, atmete in kurzen, heftigen Stößen und versuchte mit aller Macht, standhaft zu bleiben. Das Monster sprang, und Nick schwang seinen Speer aus der Bewegung herum, genau wie Sekeu es ihm gezeigt hatte. Die Spitze traf das Monster am Hals und schlitzte ihm die Kehle weit auf.
Das Wesen prallte gegen Nick, badete ihn in schwarzes Blut und warf ihn zu Boden. Er stieß den zuckenden Körper fort und wollte aufstehen, doch bevor er auf die Beine kam, landete etwas
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