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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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ging an Stephen vorbei und holte sich die Müslipackung aus dem Regal. »Was diese junge Frau durchgemacht hat. Sie konnte gar nicht aufhören zu weinen. Schrecklich.«
    Stephen kaute mit gesenktem Kopf weiter seine Dörrpflaumen.
    »Es wundert mich, dass du noch nicht dort warst, Stephen …«
    »Ich? Wieso sollte ich …?«
    »Du hast Emily doch auch gekannt.«
    »Gut, ich wusste, wer sie ist …«
    »Ich hatte immer den Eindruck, dass du sie besonders gern hast.«
    Stephen hatte aufgehört zu essen. Er starrte sie an, das Frühstück war vergessen.
    »Für einen Schwatz mit ihr hattest du doch immer Zeit. Na ja, sie war ja auch ein hübsches kleines Ding, das haben alle gesagt. Ich meine, du bist nicht der Einzige, dem das aufgefallen ist.«
    Stephen rutschte auf seinem Stuhl herum. Was wollte sie von ihm? Hockte da mit ihrer Müslischüssel und quatschte ohne Punkt und Komma.
    »Du solltest auch vorbeischauen, Stephen. Am besten gleich heute Morgen. Ich habe noch ein, zwei Dinge zu erledigen, in der Zeit könntest du gehen, zu Fuß, wenn du den Wagen nicht nehmen willst. Es ist nicht weit, auf der anderen Seite der Gregory Street. Aber das weißt du ja.«
    Stephens Hand zuckte unwillkürlich und warf seine Müslischale um, sodass Pflaumensteine und Saft sich über die Resopalplatte des Tischs ergossen, während der Löffel scheppernd auf das Linoleum fiel.
    »Ein hübsches Haus, in dem die Morrisons wohnen,hinten und vorn mit Garten. Den hinteren Garten kann man von der Straße aus gut einsehen, hauptsächlich Rasen. Na ja, wenn beide arbeiten, haben sie wahrscheinlich nicht viel Zeit, sich um anderes zu kümmern. Außerdem ist es ja für Emily zum Spielen ideal.« Sie tupfte sich die Mundwinkel mit einer Papierserviette ab. »Meinst du nicht auch, Stephen?«
    Stephen stand am Spülbecken und hielt mit nervösen Händen Löffel, Gabeln und Messer unter das laufende Wasser. Ein Schweißtropfen rann ihm von der Augenbraue in den Augenwinkel.
    »Emily hat es zum Spielen wirklich viel schöner gehabt als dieses andere arme kleine Ding, das nur den Spielplatz hatte. Man fragt sich wirklich, was diese Kinder mit sich anfangen sollen, den ganzen Tag da oben in so einer Hochhauswohnung eingesperrt, höchstens mit einem Balkon, auf den sie mal rauskönnen. Und der Treppe natürlich. Wirklich schlimm, findest du nicht auch, Stephen?«
    Blut sickerte aus der kleinen Wunde in Stephens Daumen, wo er sich mit der Gabel gepiekst hatte, und verfärbte das Wasser.
    »Wie hieß sie doch gleich, Stephen? Du weißt schon, dieses niedliche kleine blonde Mädchen? Von dem du so angetan warst.«
    Aber Stephen war nicht mehr da. Zwei Türen knallten, dann wurde unten in der Kellerwerkstatt der Riegel vorgeschoben. Joan Shepperd ließ das verschmutzte Wasser im Spülbecken abfließen und frisches einlaufen, sie packte den Tag nicht gern an, ohne vorher das Frühstücksgeschirr gespült und aufgeräumt zu haben. Gloria. Natürlich. Gloria Summers. Sie hatte es die ganze Zeit gewusst.
    Seit der neue Lebensmittelladen aufgemacht hatte, dort, wo vorher die Metzgerei gewesen war, machte sich JoanShepperd unter der Woche selten die Mühe, für ihre Einkäufe weiter zu gehen als bis dorthin. Und wenn sie wirklich etwas vergessen hatte, konnte sie immer noch in eins der drei asiatischen Geschäfte in der Nähe springen, die bis spätabends geöffnet hatten. Heute Morgen brauchte sie Tomaten, ein Pfund Äpfel – was jetzt viel unkomplizierter war, wo man nicht mehr schief angesehen wurde, wenn man südafrikanische kaufte –, Orangensaft und ein Heftchen Briefmarken von der Post. Sie konnte es kaum fassen, dass sie so ruhig war. Die ganze Nacht hatte sie wach gelegen und den tiefen Atemzügen ihres Mannes gelauscht, der anscheinend ungerührt neben ihr lag und den Schlaf des Gerechten schlief. Immer wieder sah sie Lorraine Morrisons verweintes Gesicht vor sich. Sie musste warten, bis die Telefonzelle frei war, es waren zwei da, aber nur eine war in Betrieb, wie üblich. »Hallo«, sagte sie, als die Verbindung hergestellt war. »Ich würde gern Constable Kellogg vom CID sprechen. Ja, richtig, Lynn.«
    »Sind Sie sicher, dass sie es war? Shepperds Frau?«
    »Sie wollte, wie gesagt, ihren Namen nicht nennen. Aber ja, ich bin ziemlich sicher. Auch wenn ich nur das eine Mal mit ihr gesprochen habe.«
    »Hm«, meinte Resnick und wischte sich im Aufstehen die Krümel vom Anzug, die Reste eines Schinkenkäsetoasts, der die gähnende Lücke zwischen

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