Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
wann. Und was war aus dem alten Teppich geworden, wohin hatte man den gebracht?
Zwanzig Minuten später stand Resnick unrasiert und mit schlafverquollenen Augen vor Skeltons Tür.
Draußen ist es noch dunkel. Die zwei Männer sitzen in dem kleinen Raum, der vom Flur abgeht und Skeltons Arbeitszimmer genannt wird, wenn man ihm überhaupt einen Namen gibt. Dort stehen in der Tat Bücherregale: eine sorgfältig nach dem Alphabet geordnete Sammlung von Fachbüchern und Memoiren, Alderson und Holdaway, McNee und Whitaker; amtliche Berichte aus dem Innenministerium und von der Polizeistiftung; alte Ausgaben der ›Police‹ und der ›Police Review‹, ordentlich gebunden. Aber zu Resnicks Überraschung stehen auch Bände über Motortechnik, Ratgeber für den Heimwerker und Werke über japanische Kunst und Kultur im Regal; weniger überraschendsind da schon die Bücher über Drogenmissbrauch und Therapie, über jugendliche Straftäter, über Sport und Bewegung und gesunde Ernährung. Die im untersten Fach ordentlich aufgereihten Aktenordner tragen Aufschriften wie »Quittungen« und »Versicherungen«, »Urlaub« und »Kontoauszüge«. An der Wand steht ein grüner Aktenschrank mit zwei Schubladen übereinander: A-N, O-Z. Und aus der unteren Schublade holt Skelton die Flasche, S für Scotch oder W für Whisky, egal. Resnick nickt, als der Superintendent sie zum Eingießen bereit über seinen Henkelbecher mit Pulverkaffee hält.
»Heraus damit, Charlie.«
Resnick folgt der Aufforderung. Der Verdächtige hatte reichlich Gelegenheit, die beiden Mädchen kennenzulernen, er hat selbst zugegeben, dass er eines von ihnen kannte; durch seine Position an der Schule, als dort beschäftigter Handwerker und als Ehemann einer der Lehrerinnen, war er für die Kinder eine Art Amtsperson, der sie wahrscheinlich vertrauten. Er hat gelegentlich seine Joggingrunden rund um den Spielplatz gedreht, der von beiden Kindern regelmäßig aufgesucht wurde und von dem eines von ihnen verschwand. Es besteht der starke Verdacht, dass er in der Nähe des Wohnorts des zweiten Mädchens etwa um die Zeit, als es verschwand, sein Lauftraining absolvierte. Der Verdächtige hat das bestritten, sein Alibi wurde jedoch nicht bestätigt. Ferner hat jemand – möglicherweise die Frau des Verdächtigen – die Polizei darauf hingewiesen, dass er nicht nur mit dem zweiten kleinen Mädchen Kontakt gehabt hat, sondern auch mit dem ersten. Diese Person hat angedeutet, es gebe Beweise gegen den Verdächtigen, hat sich aber geweigert, sich näher zu äußern. War das nicht so, als wollte sie sagen, passen Sie auf, die Antworten liegen vor Ihrer Nase, Sie müssen nur genau genug hinschauen?
Skelton trinkt von seinem Kaffee, gibt noch etwas Scotchdazu. Von oben ist gedämpft das Rauschen der Toilettenspülung zu hören, seine Tochter oder seine Frau.
»Dann also einen Durchsuchungsbefehl für Wagen und Haus, Charlie?«
»Ja«, stimmt Resnick zu, »für beides, Wagen und Haus.«
Kurz vor sieben fuhren die Wagen in die Straße ein. Der Morgen war frostig, kalt und in Dunkelheit gehüllt. Weiter oben auf der gegenüberliegenden Seite fuhr ein Milchwagen; eine Krankenschwester auf dem Weg zur Frühschicht im Queens Medical Centre radelte vorbei. Resnick fing mit einem Lächeln die Zeitungsbotin ab, die ihm nach einem fragenden Blick ohne Weiteres den ›Telegraph‹ der Shepperds in die ausgestreckte Hand drückte. Ein Nicken, dann klopfte Graham Millington energisch an die Tür, drückte den Daumen auf die Klingel und ließ ihn dort liegen. Im Haus gingen Lichter an, Schritte und nervöse Stimmen waren zu hören.
»Mrs Shepperd …«
Joan Shepperd stand einem halben Dutzend Männern und einer Frau gegenüber, alle in Wintermänteln, alle reglos, in der Luft hingen blass die Wölkchen ihres Atems.
»Mrs Shepperd«, sagte Resnick, »wir haben einen Durchsuchungsbefehl …«
Den Morgenrock am Hals zusammenhaltend trat sie einen Schritt ins Haus zurück und dann zur Seite, um sie einzulassen.
»Joan, was zum Teufel …?« Drei Stufen über dem Fuß der Treppe stand Stephen Shepperd, eine gestreifte Pyjamajacke lose über einer grauen Straßenhose, die Füße in Filzpantoffeln.
»Ich glaube«, sagte Resnick, während sich die Beamten an ihm vorbeidrängten, »Sie und Ihre Frau setzen sich am besten irgendwohin, bis wir hier fertig sind.«
Shepperd zögerte, sein gehetzt umherhuschender Blick blieb schließlich an der unerbittlichen Miene seiner Frau
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