Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
hängen.
»Mr Shepperd.«
Er kam die restlichen Stufen in den Flur hinunter und wollte zum Wohnzimmer.
»Da vielleicht lieber nicht«, sagte Resnick. »Da haben wir einiges zu tun. Hier …«, er hielt ihm die Zeitung hin, »nehmen Sie die doch mit in die Küche.«
Wortlos taten die beiden wie geheißen und setzten sich steif an den kleinen Tisch, während Mark Divine sich mit verschränkten Armen und einem höhnischen Grinsen im Gesicht an den Türpfosten lehnte.
Patel und Lynn durchsuchten das obere Geschoss, ein Zimmer nach dem anderen, Schubladen und Schränke zuerst, die naheliegenden Orte. Vorn im Wohnzimmer schoben Millington und Naylor Möbelstücke zur Mitte, um den Spannteppich leichter von den Dielen lösen zu können. »Würden Sie uns freundlicherweise den Schlüssel zu Ihrem Wagen geben?«, fragte Resnick über Divines Schulter.
Constable Hansen, den man sich wegen seiner technischen Fähigkeiten eigens ausgeliehen hatte, fing die Schlüssel auf und wandte seine Aufmerksamkeit dem Rover Metro am Bordstein zu.
Dreißig Minuten später hatte sich noch immer keiner der beiden Shepperds gerührt, die Zeitung lag gefaltet und ungelesen auf dem Tisch zwischen ihnen. Stephens Augen waren entweder geschlossen oder blickten hinunter zu seinen Händen mit den dicken Schwielen an Ballen und Fingerkuppen. Und Joan starrte ihren Mann an.
Divine seufzte von Zeit zu Zeit, trat von einem Fuß auf den anderen und erfreute sich an Spekulationen darüber, was einem Mann wie Shepperd wohl blühte, wenn er im Knast landete.
»Wann ist der Teppich im Wohnzimmer verlegt worden?«, fragte Resnick.
»Irgendwann im letzten Sommer«, sagte Stephen.
»Im September«, sagte seine Frau.
»Und der alte?«
»Wie?«
»Was war mit ihm?«
»Sie meinen, warum wir ihn rausgerissen haben?«
»Wenn Sie wollen.«
Stephen hustete und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Drei Leute beobachteten ihn und er wollte keinem von ihnen ins Gesicht sehen.
»Ich hab die Bremsen gerichtet«, sagte er. »Vom Metro.«
»Im Wohnzimmer?«
»Es war mir zu umständlich, alles erst runterzuschleppen.«
»Er wollte seine heißgeliebten Werkzeuge nicht mit dreckigem Schmieröl besudeln«, sagte Joan. »Er hat’s lieber auf dem Teppich hinterlassen.«
»Das war Pech«, sagte Stephen.
»Es war eine unglaubliche Sauerei. Alles war ruiniert, der Teppich, der kleine Läufer, alles.«
»Wir hatten doch schon ewig vor, einen neuen Teppich zu kaufen«, sagte Stephen.
»Was sagen Sie da von einem Läufer?«, fragte Resnick. »Sie hatten außer dem Spannteppich noch einen Läufer?«
Joan nickte. »Stephen hat schon recht, der alte Teppich war schon richtig fadenscheinig; vor ungefähr einem Jahr haben wir einen kleinen Läufer gekauft, um die dünne Stelle zu verdecken, damit es etwas besser aussieht.«
»Welche Farbe hatte der Teppich?«, fragte Resnick.
»Oh, blau. Aber er war ganz ausgebleicht. So eine Art Graublau.«
»Und der Läufer?«
»Der war kariert. So ein schottisches Muster. Ich weiß aber nicht, ob es echt war.« Resnick wollte gerade nach den vorherrschenden Farben fragen, da fügte sie hinzu: »Ziemlich hell, rot und grün.«
»Was haben Sie damit gemacht? Mit dem Teppich und dem Läufer?«
»Wir haben sie zur Müllkippe gebracht«, sagte Stephen.
»Zu welcher?«
»Zur nächsten, Dunkirk.«
»So einen Riesenteppich zu befördern, das war sicher nicht einfach.«
»Auf dem Autodach«, erklärte Stephen.
»Nachdem Sie die Bremsen wieder eingebaut hatten, hoffe ich«, sagte Resnick lächelnd, und Divine lachte leise hinter vorgehaltener Hand.
»Und den Läufer? Haben Sie den auch aufs Autodach geschnallt?«
Stephen schüttelte den Kopf. »Den hab ich in den Kofferraum gelegt.«
Stephen Shepperds Joggingsachen waren im Wäschekorb im Bad, ein dunkelblauer Trainingsanzug, am Hals rot und weiß abgesetzt, am Kragen innen ein Etikett von St. Michael, ein weißes Unterhemd und weiße Socken mit verstärkter Sohle. Reebok-Laufschuhe mit Erde und Asche in den Rillen standen neben seinen anderen Schuhen unten im Kleiderschrank. Alles wurde in Plastikbeutel gepackt und sorgfältig beschriftet.
Patel fand den Fotoapparat vorn in Shepperds Hemdenschublade, eine kleine Spiegelreflexkamera, eine Olympus AF -10, so zierlich, dass man sie leicht in die Tasche schieben und in der offenen Hand halten konnte.
Im Nachttisch auf Joans Bettseite entdeckte Lynn ein Fläschchen mit bedrucktem Etikett und kindersicheremVerschluss,
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