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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Diazepam, 10 mg. Es schien noch ungefähr zwanzig Tabletten zu enthalten. Auf der anderen Seite entdeckte sie ein Klassenfoto, am letzten Nachmittag des Sommertrimesters aufgenommen, dreißig Kinder auf dem Spielplatz um Joan Shepperd geschart, die rund und mütterlich ins Objektiv lächelte. Vorn, im Schneidersitz, die Augen ein wenig zusammengekniffen gegen die Sonne, saß unverkennbar Gloria Summers.
    Constable Hansens weißer Overall war schwarz verschmiert und er war schon bei seinem zweiten Paar Handschuhe. Besondere Aufmerksamkeit dem Kofferraum, hatte der Auftrag gelautet, und daran hielt er sich.
    Scheiße, dachte Divine, wie lange wollen die noch rumsitzen wie zwei Wachsfiguren? Keine gottverdammte Scheibe Toast, nicht mal ’ne Tasse Tee in Sicht.
    Millington hatte es Naylor überlassen, die Dielen beim offenen Kamin zu kennzeichnen, auf denen eine leichte Verfärbung erkennbar war, so als sei vielleicht eine Flüssigkeit durch den Teppich und die Unterlage gesickert. Wie alt die Verfärbungen waren, konnte man mit bloßem Auge nicht feststellen. Die Kollegen von der Spurensicherung würden sich, wenn sie kamen, ein genaueres Bild machen können.
    Jetzt war der Sergeant bei Resnick im Keller, wo sie sich vorsichtig um die Drechselbank und die blitzenden Holzbearbeitungswerkzeuge bewegten.
    »Das Zeug könnte man glatt ausstellen«, bemerkte Millington staunend. »Sieht aus, als nähme er sich mehr Zeit, seine Werkzeuge zu polieren, als mit ihnen zu arbeiten.«
    Resnick erinnerte sich, wie pedantisch der Pathologe seine Brille geputzt hatte, ehe er sie wieder aufsetzte. Wir haben einen Schädelbruch hinten, Extradural- und Subduralblutungen. Beinahe mit Sicherheit ein Schlag. »Etikettieren«, sagte Resnick. »Jedes einzelne.«
    Während der Sergeant damit beschäftigt war, sah Resnick die flachen Schubladen durch: Messingkopfschrauben, Nägel in sechs verschiedenen Stärken und Größen, Bohrerspitzen, Sandpapier von grob bis extrafein. Darunter entdeckte Resnick die Fotografien. Mit angehaltenem Atem verteilte er sie auf der Drechselbank.
    »O mein Gott!«, stieß Millington hervor.
    Resnick sagte nichts.
    Es waren siebenundzwanzig Aufnahmen, Postkartengröße. Viele waren unscharf, leicht verwackelt; entweder hatten sich die Fotografierten bewegt oder aber die Bilder waren mit zitternder Hand gemacht worden. Die meisten, nicht alle, waren im Freien aufgenommen, in irgendeinem Park mit Schaukeln. Kleine Mädchen in Jeans oder Badeanzügen, mit nacktem Oberkörper, nur in Shorts; kleine Mädchen, die dem Fotografen zuwinkten, die lachten, tanzten, Purzelbäume schlugen. Ein Foto war dabei, zu dunkel, um etwas Eindeutiges erkennen zu können, das offenbar in einem Korridor aufgenommen war; ein anderes, mit Blitz, in einem Klassenraum. Die letzten vier, die Resnick auslegte, waren in einem Schwimmbad gemacht, und auf dem letzten stand ein mageres kleines Mädchen, an dessen Oberkörper die Rippen zu erkennen waren, am Beckenrand und hielt sich die Nase zu, der Moment vor dem Sprung.
    Auf den ersten Blick war Gloria Summers auf keinem der Bilder zu erkennen, dafür aber Emily, Emily Morrison, hier mitten in einer Gruppe, dort am Rand einer anderen; Emily mit hoch schwingenden Beinen auf der Schaukel, den Mund weit geöffnet zu einem Schrei schaurigen Vergnügens; und Emily über die Schulter blickend, als würde sie sich nach einer Stimme umdrehen, die sie kannte, ein blass verwischtes Gesicht mit großen dunklen Augen.
    Resnick legte die Fotografien sorgfältig zu einem Stapelaufeinander und schob sie in einen Plastikbeutel, den er in die Innentasche seines Jacketts steckte, zu seiner Brieftasche.
    »Machen Sie hier fertig«, sagte er, schon auf dem Weg zur Treppe, zu Millington.
    Lynn Kellogg erwartete ihn im Flur, in der Hand das Klassenfoto. Resnick warf einen Blick darauf und nickte. »Bleiben Sie und befragen Sie Mrs Shepperd«, sagte er. »Bleiben Sie mit Diptak zusammen.«
    Divine machte den Zugang zur Küche frei, Resnick ging um Joan Shepperd herum und legte ihrem Mann schwer die Hand auf die Schulter.
    »Stephen Shepperd, ich verhafte Sie im Zusammenhang mit der Ermordung von Gloria Summers und der mutmaßlichen Ermordung von Emily Morrison. Sie brauchen sich nicht zu äußern, wenn Sie es nicht wünschen; sollten Sie es tun, so kann alles, was Sie sagen, als Beweis verwendet werden.«
    Shepperd, der sich unter Resnicks Hand verkrampft hatte, entspannte sich langsam. Gleichzeitig ging sein Atem

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