Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
teilte, und bemühte sich, den Schraubenschlüssel richtig einzustellen.
»Was ist eigentlich aus dem netten jungen Mann geworden, den du in der Werkstatt kennengelernt hast? Du weißt schon, damals, als du die Probleme mit dem Auspuff hattest. In der Nähe von Grantham.«
»Gar nichts, Mama.«
»Ich dachte, er wollte dich zum Essen einladen oder so was? Immerhin hat er dir den Auspuff doch umsonst gerichtet.«
Er hatte ein schnell trocknendes Abdichtmittel aus der Tube aufgetragen, irgendwelche schwarze Schmiere darum herumgepappt und versucht, ihr an die Wäsche zu gehen, als ihr Nova noch auf Kopfhöhe aufgebockt war. Das Essen war das Menü des Tages bei »Berni’s« gewesen, Garnelencocktail, Rumpsteak mit Ofenkartoffel und drei Blättchen Kresse, Schwarzwälder Kirschtorte. Danach hatte er es kaum erwarten können, Lynn auf den Parkplatz hinauszuschleppen und ihr zu zeigen, dass er nicht umsonst zum Kwik-Fit-Mechaniker des Monats gekürt worden war.
»Also niemand in Sicht?«
»Nein, Mama. Im Moment nicht.«
»Ach, Lynnie«, sagte ihre Mutter seufzend. »Hoffentlich hast du nicht zu lange gewartet.«
»Wurde aber auch langsam Zeit.« Patels Vater konnte eine gewisse Freude nicht verhehlen. Patel konnte sich sein Gesicht vorstellen, ebenso die Gesichter seiner Mutter und seiner Schwester, die um ihn herum standen.
»Du musst uns mit ihr besuchen.«
»Ich weiß nicht …«
»Bald.«
Saras Mutter ging sonntagmorgens immer in die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, eine ehemalige Bürgerhalle mit Wellblechdach und Blick auf die Pferderennbahn. Ihr Vater verbrachte die Sonntage mit der ›News of the World‹ und der ›People‹ im Bett – »sonst komme ich nie zum Lesen« –, zumindest bis die Pubs öffneten.
»Wie ist denn dieser Raymond?«, fragte Saras Mutter, während sie eine sieben Zentimeter lange metallene Hutnadelaus ihren Dauerwellen und dem weichen grauen Filz ihres Sonntagshuts zog. »Ein gebildeter Junge? Gut erzogen?« Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. »Na, Hauptsache, er ist nicht gewöhnlich.«
Divine umklammerte den weißen Porzellanrand und biss die Zähne zusammen, um sich nicht noch ein drittes Mal zu übergeben. Seine Kehle fühlte sich an wie mit einem scharfen Instrument ausgeschabt und sein Kopf wie ein Ball, den jemand achtzig Meter ins Feld geschlagen hatte. Wenn er je wieder hochkam, musste er runter zum Laden an der Ecke, zwei Liter Milch holen und die Packung Benson, nach der diese fremde Person, die da mit verschmierter Wimperntusche in seinem Bett lag, seit Ewigkeiten verlangte. Im grauen Licht des Morgens sah sie aus wie siebzehn, wahrscheinlich Bürolehrling irgendwo. Gestern Abend auf der Tanzfläche hatte er erst zu irgendeinem Electro-Käse mit ihr herumgejuxt, dann zu Phil Collins geknutscht. »Du bist doch nicht wirklich ein Bulle, oder?« Nein, Süße, ich bin Leonardo Scheiß da Vinci.
Kevin Naylor war seit kurz vor sieben auf und hatte in der Küche seine Diensthemden gebügelt, während er sich die Frühstückssendung von Bruno und Liz anhörte, die am Mikrofon flirteten wie die Wilden und nach der Sendung wahrscheinlich kein Wort miteinander redeten und in getrennten Taxis heimfuhren. Er hatte den ganzen oberen Stock und unten ungefähr die Hälfte gesaugt, dann hatte es in dem blöden Beutel einen Stau gegeben, er hatte ihn beim Herausnehmen zerrissen, neue Beutel waren nicht da gewesen, und sein Versuch, den alten mit Tesafilm zu flicken, hatte unten an der Treppe in einer staubigen Katastrophe geendet, die er mit Schaufel und Besen zusammenfegen musste.
Als er schließlich anrief, war natürlich ihre Mutter dran,und er dachte zuerst, sie würde Debbie gar nicht ans Telefon lassen.
»Also dann um halb vier?«
Ominöses Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Debbie?«
Er wusste, dass ihre Mutter neben ihr stand und ihr mit übertriebenen Mundbewegungen soufflierte, was sie sagen sollte.
»Du kommst doch mit der Kleinen zum Tee?«
Er war eigens bei Marks & Spencer gewesen und hatte diesen Battenberg-Kuchen gekauft, den sie so mochte, und zwei Schokoladen-Eclairs in einem Karton mit Zellophandeckel. Zusammen mit einem Haufen alter Frauen und älterer Männer hatte er eine Ewigkeit bei Birds angestanden, um Biskuitmäuse mit Augen und Schwänzchen in verschiedenfarbigen Glasuren, ein Malzbrot und Lebkuchen zu besorgen. Und für den Fall, dass Debbie nichts mithatte, hatte er außerdem Gläschen mit süßer Babynahrung
Weitere Kostenlose Bücher