Der Kinderpapst
sind â¦Â«
»Genug!«
Plötzlich war Gregorio bei ihr und stieà sie so brutal beiseite,
dass sie zu Boden stürzte. Im selben Moment sah Teofilo ihren Bauch, der sich
wie bei einer Schwangeren unter ihrer Tunika hervorwölbte.
»Chiara!«
Er wollte zu ihr eilen. Doch seine Knie knickten ein, und er geriet
ins Straucheln, während bewaffnete Männer sie vom Podium zerrten, hinunter auf
den Platz, wo das wütende Volk sie in Empfang nahm.
Wieder zeigte Gregorio auf den Münzarbeiter.
»Soll dieser Mann für sein Verbrechen büÃen?«
»Ja!«, brüllte das Volk. »Ja, ja, ja!«
Verzweifelt versuchte Teofilo, wieder auf die Beine zu kommen. Doch
bevor er es schaffte, packte ein Scharfrichter den Arbeiter, warf ihn über den
Altar und schlug ihm mit seinem Schwert den rechten Arm ab.
Applaus brandete auf.
»Es lebe der Papst! Es lebe Papst Benedikt!«
Unter dem Jubel des Volkes warf Gregorio den abgehackten Arm in die
Menge. Während hundert Hände nach dem blutenden Stumpf griffen, trafen sich
Chiaras und Teofilos Blicke. Doch nur für einen Wimpernschlag. Soldaten nahmen
ihn zwischen sich und hoben ihn in die Sänfte. Während er, begleitet von
tosendem Beifall, davonschwebte, suchte er mit den Augen die brodelnde Menge
ab.
Doch Chiara war verschwunden.
8
»Da ist sie!«
»Wer?«
»Das Lügenweib!«
»Wo!«
»Dort!«
»Lasst sie nicht entkommen!«
Die Hetzrufe im Nacken, drängte Chiara sich durch das Gewühl einer
Budengasse, in der Zahnbrecher und Wunderheiler, Puppenspieler, Feuerschlucker
und Jongleure ihre Künste vorführten. Während das Kind in ihrem Bauch
strampelte, griffen fremde Menschen nach ihr, stieÃen und schubsten und trieben
sie vor sich her wie ein Stück Vieh. Ohne auf die Rempler und StöÃe zu achten,
eilte sie weiter, zu Antonio, der auf dem Podium zusammengebrochen war. Aus
seiner Wunde spritzte immer noch Blut, man musste ihn verbinden, sonst würde er
sterben! Am Ende der Gasse war zwischen zwei Buden der Weg frei, ein
Schlupfloch, durch das sie fliehen konnte. Sie stieà einen halbwüchsigen Jungen
beiseite, war aber noch keine fünf Schritt weit gekommen, da verbaute ein
braunschwarzes Ungetüm ihr den Weg, ein Bär mit erhobenen Tatzen und langen,
gelben Zähnen.
»Ein Tänzchen gefällig?«, fragte grinsend der Bärenführer, ein
verschrumpelter kleiner Mann, der das gewaltige Tier nur an einer ledernen
Leine zurückhielt.
Im Nu bildete sich ein Kreis von Menschen um Chiara und den Bären.
Dutzende von Augenpaaren starrten sie an: neugierige Augen, lachende Augen,
böse Augen, lüsterne Augen, die alle nur darauf warteten, dass etwas passierte.
Chiara brach vor Angst der Schweià aus.
»Lasst mich durch!«
»Erst ein Tänzchen!«
Der Bär tappte mit seiner Pranke in Chiaras Richtung, als wolle er
sie tatsächlich zum Tanz auffordern.
»Nehmt das Vieh weg! Da drüben verblutet ein Mann!«
»Aber deshalb kann man doch tanzen!«
»Was wollt ihr von mir? Was habe ich euch getan?«
»Ein Tänzchen, schöne Dame, nur ein Tänzchen«, sagte der Bärenführer.
»Oder wollt Ihr Euren Kavalier beleidigen?«
Er schnalzte mit der Leine, und sofort fing der Bär an, sich von
einem Fuà auf den anderen zu bewegen. Wieder holte er mit seiner Tatze aus.
Verzweifelt schaute Chiara sich um. Gab es denn niemanden, der ihr half?
»Musik!«, rief jemand.
»Ja, Musik!«
Ein Pfeiffer sprang in den Kreis und fing an zu spielen, gleich
darauf fiel ein Trommler ein. Das Getöse fuhr dem Bären in die Glieder, mit
gebleckten Zähnen tanzte er auf Chiara zu. Während sie zurückwich, sah sie nur
seine Zähne, diese gelben, langen Zähne. Immer enger zog der Menschenring sich
um sie. Schon war der Bär ihr so nah, dass sie sein stinkendes Fell roch. Ein
paar Zuschauer klatschten im Takt.
»Tanzen! Tanzen! Tanzen«
Chiara konnte kaum noch atmen. Schritt für Schritt näherte sich der
Bär, von einem Bein auf dem anderen sich wiegend, als würde er wirklich die
Musik in seinem Zottelleib spüren. Erst jetzt sah sie seine Augen, winzig
kleine, böse Augen, die in ihre Richtung starrten, während seine schmale rosa
Zunge zwischen den langen gelben Zähnen hervorspitzte. Chiara fühlte den
fauligen Atem in ihrem Gesicht. Jemand stieà sie in den
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