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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Rücken, sodass sie dem
Tier fast in die Arme stolperte.
    Â»Tanzen! Tanzen! Tanzen!«
    Schwarze, scharfe Krallen schlugen nach ihr. Ihr Kind! Schützend
hielt sie sich die Hände vor den Bauch. Wenn der Bär sie erwischte, er würde
ihr den Leib aufreißen …Wieder stieß ihr jemand in den Rücken, sie verlor das
Gleichgewicht und taumelte zur Seite. Der Bär hob seine Tatze und holte aus …
Nur einen Wimpernschlag, bevor seine Pranke niederfuhr, tauchte sie unter dem
Arm des Tieres weg.
    Im selben Moment erblickte sie ein Gesicht, kaum einen Steinwurf
entfernt.
    Â»Anna! Anna!« Sie versuchte, sich zwischen zwei Gaffern hindurchzuzwingen,
um aus dem Kreis auszubrechen. »Anna! Du musst ihm den Arm abbinden!«
    Â»Wie, Chiara?«
    Â»Mit einem Gürtel! Und verstopf die Wunde!«
    Während die Gaffer Chiara festhielten, lief Anna zum Podium, um
Antonio zu helfen
    Â»Darf ich Euch meinen Arm reichen, schöne Dame?«
    Chiara fuhr herum. Der Bär war verschwunden, vor ihr verbeugte sich
ein halbnackter Narr. Erleichtert atmete sie auf. Doch im nächsten Moment
stockte ihr das Blut in den Adern. Der Arm, den der Narr ihr zum Tanz
entgegenstreckte, war Antonios Arm, der Arm, den der Henker ihm von der
Schulter gehackt hatte.
    Â»Wollt Ihr auch mir den Tanz verweigern?«, krächzte der Narr und
lachte meckernd wie ein Ziegenbock.
    Wie gelähmt starrte Chiara auf diesen Arm. Sogar den Ärmel des
Gewands, das den Stumpf umschloss, erkannte sie – Anna hatte das Wams erst
kürzlich genäht. Bei dem Anblick zog sich ihr der Unterleib zusammen, in einer
Woge von Schmerz.
    Â»Hört auf! Sofort!« Eine große, knochige Frau drängte sich in den
Menschenkreis und stieß die Musikanten beiseite. »Sieht denn keiner, was los
ist?«
    Chiara griff sich an den Bauch. Ihr Kind! Sie musste es schützen!
Eine neue Woge erfasste sie, mit solcher Kraft, dass ihr die Sinne schwanden,
und sie zu Boden sank.
    9
    Trotz seiner Jugend litt Heinrich unter einer so schwachen
Blase, dass er bei der winterlichen Kälte in seinem Reisezelt nicht die Dauer
einer Messfeier aushalten konnte, ohne einen Abort aufzusuchen. Petrus da Silva
hatte sich deshalb schon daran gewöhnt, dass der König im Laufe einer
Unterredung immer mal wieder hinter einem Vorhang verschwand, um sein Wasser abzuschlagen.
    Â»Wo bleibt Benedikt?«, fragte Heinrich, während er, abgeschirmt vor
Petrus da Silvas Blicken, tröpfelnd seine Blase in einen Eimer entleerte.
»Immer noch keine Nachricht?«
    Â»Leider nein, Eminenz.«
    Â»Aber Ihr seid sicher, dass er unsere Aufforderung bekommen hat?«
    Â»Nicht anders als Seine Heiligkeit, Papst Gregor, sowie der Bischof
der Sabina.«
    Â»Das ist unerhört! Wie kann dieser Buschräuber es wagen, sich der
Aufforderung des künftigen Kaisers zu widersetzen? Will er uns zum Narren
halten?«
    Schäumend vor Wut kehrte Heinrich in das Zelt zurück und band sich
die Hose zu. Seit einer Woche waren die italienischen Bischöfe in Sutri
versammelt, um über die Einheit und Reinheit der Kirche zu beraten. Die Synode
hatte bereits ein umfassendes Simonieverbot erlassen, sodass künftig jeder
Bischof, der für die Einsetzung von Priestern oder die Vergabe von Altären,
Abteien und Propsteien Geld annahm, dem Kirchenbann verfallen würde. Doch in
Wahrheit ging es Heinrich nur um eine einzige Frage. Wer war der rechtmäßige
Papst?
    Â»Ich will diesem himmelschreienden Zustand ein Ende bereiten«,
erklärte er. »Das ist ja, als wäre die heilige Kirche gleichzeitig mit drei
Gatten vermählt.«
    Â»Die Kirche wird es Euch ewig danken, Majestät«, erwiderte Petrus da
Silva. »Dieser dreifache Ehebund stiftet nur Verwirrung und Zwietracht.«
    Â»Aber wie bei allen Erzengeln und Heiligen kann ich Gericht halten,
wenn einer der Männer, die sich Papst nennen, sich dem Gericht entzieht?«
    Petrus da Silva steckte sich ein Blättchen Minze in den Mund.
Heinrich mochte eine schwache Blase haben – in seinem Charakter war der junge
König stark wie ein Löwe. Darum kam alles darauf an, die Gunst der Stunde jetzt
zu nutzen, damit der künftige Kaiser den einzigen und rechtmäßigen Papst in
seinem Amt bestätigte.
    Â»Wenn ich meine unmaßgebliche Meinung äußeren darf«, sagte Petrus da
Silva, »so hat Benedikt mit dieser Unbotmäßigkeit sein Recht auf

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