Der Kinderpapst
willen!«, rief Chiara. »Aus welchem Grund?«
»Ich weià es auch nicht«, schluchzte Anna. »Sie haben nur gelacht
und gesagt, das würde ich noch früh genug erfahren.«
6
»Was zum Teufel ist da los in Rom?«, fragte König Heinrich.
»Um Euch darüber ins Bild zu setzen, sind wir Euch entgegengeeilt,
Majestät«, erwiderte Petrus da Silva beflissen. Wenn dieser fromme Mann
fluchte, war Gefahr in Verzug.
»Uns sind Gerüchte zu Ohren gekommen, unglaubliche Gerüchte, von
himmelschreienden Zuständen in der Heiligen Stadt.«
»Himmelschreiend«, wiederholte Giovanni Graziano, »das ist wohl
wahr! Und ich bete täglich zu Gott â¦Â«
»Ich unterstütze Eure Gebete nach Kräften«, unterbrach ihn Heinrich.
»Aber ich weià gar nicht, wofür ich als Erstes beten soll. Drei Päpste zur
gleichen Zeit? Um Himmels willen! Wie soll ich da wissen, wer überhaupt
berechtigt ist, mich zum Kaiser zu krönen? Da kann ich mir die Krone ja gleich
von meinem Barbier aufsetzen lassen!«
Petrus da Silva zog scharf die Luft ein. Er hatte solche Hoffnung in
den neuen König gesetzt, der mit groÃem Heer von Augsburg über die
BrennerstraÃe nach Italien gezogen war, ohne dass ein einziger Feind es gewagt
hätte, sich ihm entgegenzustellen. Sogar der mächtige Bonifacio, Markgraf von
Tucien, der alle Fremden aus dem Norden argwöhnisch beäugte, hatte ihm ohne
Zögern gehuldigt und ihn nach Piacenza geleitet, wo Heinrich vor der
Weiterreise nach Sutri sein Lager aufgeschlagen hatte. Im Gegensatz zu seinem
Vater, Kaiser Konrad, der mit dem Schwert statt mit dem Kreuz regiert hatte,
stand der junge, nicht mal dreiÃig Jahre alte König, der mit seiner gedrungenen
Figur, dem schulterlangen schwarzen Haar und den glühenden Augen wie ein junger
König David wirkte, in dem Ruf, ein wahrer Diener Gottes zu sein, der die
Kirche von Grund auf reformieren und das Reich Karls des GroÃen im Zeichen des
Gottesfriedens wiederherstellen wollte. Petrus da Silva hatte darum geglaubt,
in ihm einen Verbündeten in seinem Bemühen um den Gottesstaat zu finden. Doch
kaum hatte er Papst Gregor in das groÃe, vollkommen schmucklose Reisezelt des
Königs geführt, hatte Heinrich begonnen, sie einer so scharfen Befragung zu den
Verhältnissen in Rom zu unterziehen, dass Petrus da Silva zweifelte, ob es ein
weiser Entschluss gewesen war, dem König entgegenzureisen.
»Es gibt nur einen rechtmäÃigen Papst«, sagte er. »Seine Heiligkeit
Papst Gregor VI . Der Tuskulaner Benedikt hat sich
selber für unwürdig erklärt und ist von seinem Pontifikat zurückgetreten, aus
freien Stücken. Die Ansprüche, die seine Familie nun stellt, hat er durch
seinen Verzicht selber verwirkt.«
»Und was ist mit diesem Silvester«, wollte Heinrich wissen, »dem
Bischof der Sabina?«
»Ein Usurpator«, erklärte Petrus da Silva, »ohne jede Legitimation.«
»Ist das auch Eure Meinung, Heiliger Vater?«, wandte Heinrich sich
an Giovanni Graziano.
»Ich bin kein Gelehrter«, erwiderte der Einsiedler. »Ich versuche
nur, den Willen Gottes zu tun.«
»Ihr redet Euch auf Gottes Willen hinaus, und wollt doch Gottes
Stellvertreter sein?« Heinrich zog ein Gesicht, als habe er in eine Zitrone
gebissen. »Nun gut, wir werden sehen, ob Ihr der Heilige Vater seid. Ich maÃe
mir weder an, Gottes Willen zu tun, noch sein Stellvertreter zu sein. Ich bin
nur sein Quartiermeister, nicht mehr als sein kleiner Finger. Aber verlasst
Euch darauf, ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um ihm ein
würdiges Quartier zu bereiten. Auch wenn Euch das offensichtlich nicht behagt,
Eminenz«, fügte er an Petrus da Silva gewandt hinzu. »Oder warum sonst verdreht
Ihr die Augen?«
»Bitte verzeiht, Majestät«, erwiderte der Kanzler. »Ein eiternder
Zahn, der mich seit Tagen quält.«
»Dann lasst Euch den Zahn ziehen! Mein Barbier steht Euch zur
Verfügung! Wann immer Ihr wollt!«
»Ich will gerne darauf zurückkommen, Majestät, sollten die Schmerzen
mich weiter plagen. Doch falls Ihr erlaubt, würde ich gern, bevor Ihr Euch von
falschen Eindrücken leiten lasst â¦Â«
Er suchte nach den richtigen Worten, um zu begründen, warum niemand
anders als Giovanni Graziano der Heilige Vater sein durfte. Aber er hatte den
Mund noch nicht aufgemacht, da
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