Der Kinderpapst
im Anfang so auch jetzt und alle Zeit, und in Ewigkeit.
Amen.«
Teofilo versuchte zu begreifen. War dies ein Teil der Prüfung, die
Gott ihm auferlegt hatte? Weil die FastenbuÃe nicht zur Tilgung seiner Sünden
reichte? Anders als im Gebet hatte das Volk ja Recht, sich gegen ihn zu
erheben, tausend und abertausend Mal!
Plötzlich dämmerte ihm ein Verdacht, eine entsetzliche Ahnung, warum
Gregorio diese Messe gewollt hatte. Seinem Bruder ging es gar nicht um den
Frieden in der Grafschaft, er wollte die Leute nur beruhigen, um sie weiter
auszupressen und zu unterdrücken. Dafür hatte
Gregorio ihm die Tiara aufgesetzt, dafür sollte er
als Papst amtieren, obwohl er von seinem Amt zurückgetreten war!
»Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroÃe Schuld.«
Immer noch betäubt von den Unmengen Wein, die er getrunken hatte,
mühte sich Teofilo, das Lallen zu überwinden, um mit fester Stimme die letzten
Worte des Stufengebets zu sprechen. Doch die Worte zerplatzten auf seinen
Lippen wie Regentropfen, ohne zum Himmel aufzusteigen.
»Gott, wende dich zu uns, und gib uns neues Leben!«
»Dann wird dein Volk in dir sich freuen.«
»Zeige, Herr, uns deine Huld.«
Immer lauter gellten die Pfiffe und Rufe über den Platz. Inzwischen
waren die Menschen so aufgebracht, dass die Soldaten sie nur mit Gewalt im Zaum
halten konnten. Die Menge staute sich vor der Absperrung wie eine Meereswoge
vor einem Damm, der bald brechen würde. Faules Obst und Gemüse flog durch die
Luft, ein Apfel traf Teofilo am Kopf, so hart, dass die Tiara zu Boden fiel.
»Herr, wir bitten dich, nimm unsere Sünden von uns weg und lass uns
mit reiner Seele ins Allerheiligste eingehen. Durch Christus, unseren Herrn.
Amen.«
Die letzten Worte des Stufengebets gingen unter im Lärm. Teofilo
spürte die Wut des Volkes im Rücken. Was würde passieren, wenn die Kette der
Soldaten riss? Jetzt prasselten sogar Steine auf das Gerüst. Ohne den Schutz
der Tiara stieg er auf den Knien weiter die Stufen zum Altar empor.
»Herr, wir bitten dich, durch die Verdienste deiner Heiligen, deren
Reliquien hier ruhen, sowie aller Heiligen, verzeih mir gnädig alle Sünden!«
Ein Stein, der ihn nur knapp verfehlte, traf das Altarkreuz. Obwohl
seine Knie so weich waren, dass es ihm nur mit Mühe gelang, sich aufzurichten,
trat Teofilo vor den Altar, um die Hauptmesse zu beginnen. Doch er hatte noch
nicht das Kyrie angestimmt, da ging ein Raunen durch die Menge.
Als er sich umdrehte, sah er Gregorio und zwei Soldaten. Sie führten
einen Gefangenen auf das Podium, einen gedrungenen, kräftigen Mann mit
grauschwarzem Stoppelhaar, den Teofilo irgendwo schon mal gesehen hatte.
»Dieser Mann«, rief Gregorio der Menge zu, »hat Rom ins Verderben
gestürzt! Er ist schuld an eurem Elend. Dafür soll er heute seine Strafe
bekommen!«
Während überall verblüffte Rufe laut wurden, kam Teofilo die
Erinnerung. Das war der Mann aus Chiaras Werkstatt, der Arbeiter, der ihn mit
einem Jauchekarren zum Tiber gebracht hatte.
»Was hat der Mann getan?«, wollte jemand wissen.
»Ja, was werft Ihr ihm vor?«
Gregorio wartete, bis Ruhe einkehrte.
»Dieser Mann«, verkündete er, »ist ein Falschmünzer. Er hat unser
Geld vernichtet, euer Geld, in der Münze des Papstes.
Er hat Kupfer in die Pfennige gemischt, um das Silber für sich zu behalten.
Sein Betrug hat euch arm gemacht, wegen ihm müsst ihr und eure Kinder hungern.«
»Das ist nicht wahr!«
Eine Frau stürzte auf das Podium. Teofilo erkannte sie sofort.
»Ich bin Chiara di Sasso«, rief sie. »Und verbürge mich für diesen
Mann. Er ist frei von Schuld!«
Wie durch eine Nebelwand hörte Teofilo ihre Stimme, sah er ihre
Gestalt.
»Ich bin der Stadtkommandant und Patronus von Rom«, erwiderte
Gregorio. »Ob dieser Mann schuldig ist oder nicht, bestimme ich!«
»Ihr habt kein Recht so zu handeln!«, protestierte Chiara. »Ohne
Prozess darf niemand verurteilt werden!«
»Lügenweib!«, schallte es ihr aus der Menge entgegen. »Der Kerl ist
ein Verbrecher!«
»Ja, ein Falschmünzer!«
»Ein Betrüger!«
»Das ist er nicht!«, rief Chiara. »Im Gegenteil. Er hat in der Münze
des Papstes gearbeitet. Aber er hat versucht, den Betrug zu verhindern! Die
wahren Betrüger
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