Der Kinderpapst

Bistümern Italiens, auch aus
Frankreich und Burgund waren Bischöfe angereist, um aus dem Mund des künftigen
Kaisers zu erfahren, wer Gottes Stellvertreter und rechtmäßiges Oberhaupt der
Kirche war und Heinrich die Krone aufsetzen würde.
    Am frühen Morgen war Petrus da Silva zu den drei Toren der Stadt
gepilgert, um an jedem Tor zum Heiligen Geist zu beten, dass er von den drei
Männern, über die in der alten Bischofsstadt das Urteil gefällt würde,
denjenigen unter seinen Schutz nehme, der zusammen mit Heinrich durch das
nördliche Tor nach Sutri eingezogen war. Offenbar hatte der Himmel sein Gebet
erhört. Während der Sabinerbischof wie ein Angeklagter in die Kathedrale
geführt wurde, saß Giovanni Graziano, angetan mit dem päpstlichen Ornat, an der
Seite des jungen Königs, als wäre er selber Teil des Gerichts, das heute Recht
sprechen sollte.
    Als Erstes rief Heinrich den Bischof der Sabina auf, einen plattfüßigen,
einfältigen Menschen, der sich einbildete, mit den Vögeln reden zu können. Er
schien sich mit seiner Absetzung bereits abgefunden zu haben. In eine schlichte
Mönchskutte gekleidet, watschelte er vor den Richterstuhl, und noch ehe ein
Wort an ihn gerichtet wurde, warf er sich Heinrich zu Füßen und bat um Verzeihung
für seinen schrecklichen Irrtum.
    Â»Bist du bereit, zu widerrufen?«, fragte der König.
    Â»Ich widerrufe.«.
    Â»Versprichst du, nie wieder Anspruch auf den Heiligen Stuhl zu
erheben?«
    Â»Ich verspreche es.«
    Â»Willst du dieses Versprechen beschwören?«
    Â»Ich schwöre!«
    Heinrich nickte. Offenbar war er gewillt, kurzen Prozess zu machen.
Ohne sich mit weiteren Fragen aufzuhalten, erklärte er Silvester für abgesetzt,
noch bevor er ein einziges Mal den Abort aufgesucht hatte, und erlegte ihm zur
Strafe für die Usurpation der Papstwürde lebenslange Klosterbuße auf. Zugleich
aber stellte er ihm, dauerhaften Gehorsam vorausgesetzt, die Erlaubnis in Aussicht,
zu einem späteren Zeitpunkt wieder in sein Bistum zurückzukehren. Petrus da
Silva begriff: Mit diesem Urteil hatte Heinrich die Sabiner in die Schranken
gewiesen, ohne sich die mächtige Familie zu Feinden zu machen.
    Mit einer feierlichen Messe, in der Heinrich und Giovanni Graziano
sich im Gebet verbrüderten, um ihre Vereinigung im Glauben zu demonstrieren,
dankte die Versammlung dem Heiligen Geist für den weisen Ratschluss.
    Sollte der Fall schon entschieden sein?
    Während Heinrich austrat, um sein Wasser zu lassen, flehte Petrus da
Silva zum Himmel, dass nicht im letzten Moment noch Benedikt auftauchte. Wenn
man die Kirchenväter studierte, war keineswegs sicher, dass die Synode im Sinne
des Heiligen Geistes entscheiden würde, und ebenso wenig konnte man darauf
bauen, dass das Band des Glaubens, das der König und der Papst durch ihre
Gebetsverbrüderung miteinander geknüpft hatten, bis zur Urteilsverkündigung
hielt …
    Plötzlich zuckte Petrus da Silva zusammen. Aus einer dunklen Nische
blickte ihm ein Pickelgesicht entgegen. War das nicht Pietro di Tusculo? Bevor
Petrus sich vergewissern konnte, verschwand der Mann hinter einer Säule.
    Â»Was für eine Laus ist Euch denn über die Leber gelaufen, Eminenz?«,
fragte Heinrich, als er vom Abort zurückkehrte.
    Â»Verzeiht, Majestät, ich war nur in Gedanken.«
    Â»Dann lasst mich an Euren Gedanken teilhaben!«
    Petrus zögerte. »Nun«, sagte er, »ich dachte, vielleicht ist jetzt
der richtige Zeitpunkt gekommen, um Papst Gregor im Amt zu bestätigen.«
    Â»Ohne seinen Fall zu prüfen?« Der König schüttelte den Kopf. »Morgen
früh wird die Verhandlung fortgesetzt.«
    12
    Der Schiffskapitän, den Gregorio in das Stadthaus der
Tuskulaner geladen hatte, um über eine völlig neue Art von Geschäft zu verhandeln,
trug an beiden Ohren silberne Ringe, und sein Gesicht sah aus, als wäre es aus
Leder.
    Â»Wie stellt Ihr Euch einen solchen Handel vor?«, fragte Gregorio so
gleichgültig wie möglich. »Ich meine, falls ich überhaupt Interesse hätte.«
    Â»Ganz einfach«, erwiderte der Kapitän. »Ihr beteiligt Euch mit
sechshundertfünfzig Pfund Silber an der Ausrüstung meines Schiffes sowie an der
Karawane, die ich brauche, um den Pfeffer über Land aus Indien nach
Konstantinopel zu schaffen. Dafür bekommt Ihr bei meiner Rückkehr