Der Kinderpapst
laut.
 »Tatsächlich!«
»Gregorio di Tusculo und seine Brüder!«
Plötzlich flog ein Stein durch die Luft.
»Nichts wie weg!«, rief Gregorio.
Mit beiden Beinen gab er seinem Pferd die Sporen. Kreischend stoben
die Menschen auseinander, und im Galopp jagten die Tuskulaner davon.
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Nur zwei Tage nach der Ernennung des Papstes, am ersten Weihnachtstag
des Jahres 1046, konnte die Erhebung Heinrichs zum Kaiser des Römischen Reichs
erfolgen, wie seine Gemahlin es sich zum Jahrestag ihrer Geburt erhofft hatte.
Bei grauem Winterwetter erreichte der Krönungszug durch die Porta Castelli die
Stadt, um sich von dort, nach der feierlichen BegrüÃung durch Vertreter der
Geistlichkeit sowie der Bürgerschaft bei Santa Maria Traspontina, weiter zum
Petersdom zu bewegen. Während der Stadtpräfekt an der Spitze dem König und
künftigen Kaiser das Schwert voraustrug und Kämmerer links und rechts des Weges
Gold ausstreuten, bildeten die mächtigsten Männer des weltlichen Roms das Gefolge,
die Richter und Konsuln und Duces sowie die Milizen mit ihren Bannern. An der
Treppe stieg Heinrich vom Pferd, um dem dort harrenden Papst den Fuà zu küssen
und ihm zu schwören, der Kirche stets ein wachsamer und mutiger Beschützer zu
sein. Die beiden Herrscher tauschten den Friedenskuss, und nachdem Heinrich zum
Domherrn der Basilika ernannt worden war, schritt er zur silbernen Pforte, an
welcher der Bischof von Albano die erste Oration über ihn sprach. Danach lieÃ
Heinrich sich auf der Rota nieder, einem runden, im Boden eingelassenen
Porphyrstein, um gemeinsam mit dem Papst das Glaubensbekenntnis abzulegen,
bevor er in neue Gewänder gehüllt an den Altar des Heiligen Mauritius geführt
wurde, wo der Bischof von Ostia ihm den Arm und Nacken salbte und eine weitere
Oration über ihn sprach.
Während uralte Gesänge das düstere Gotteshaus erfüllten, wandte der
König sich dem Altar des Apostelfürsten Petrus zu, auf dem in der Dunkelheit
die Reichskrone funkelte: Gipfel und Inbegriff allen menschlichen Ehrgeizes auf
Erden. Abermals kniete Heinrich vor dem Papst nieder. Der steckte ihm den
goldenen Ring an den Finger, als Symbol des Glaubens sowie der Beständigkeit
und Kraft seines katholischen Regiments. Dann umgürtete er ihn mit dem Schwert
und setzte ihm schlieÃlich die Krone auf den Kopf.
»Nimm das Zeichen des Ruhmes, das Diadem des Königtums, die Krone
des Reichs, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Sage dich
los von dem Erzfeind und aller Sünde, sei gerecht und erbarmend und lebe in so
frommer Liebe, dass du einst von unserem Herrn Jesus Christus im Verein der
Seligen die ewige Krone empfangen magst.«
Während sich die Krone auf das schwarzgelockte Haupt des neuen
Kaisers senkte, erschallte das Gotteshaus vom Gloria der Gläubigen, vermischt
mit dem Jubelgeschrei der Ritter und ihrer Knappen.
»Leben und Sieg dem Kaiser! Dem Beschützer des Imperiums!«
Kaum hatte der Lärm sich gelegt, übertrugen die Römer dem jungen
Herrscher sowie seinen Kindern und Kindeskindern für alle Zeit die patrizische
Gewalt, als erster Bürger Roms den Papst zu nominieren. Petrus da Silva atmete
auf. Durch diesen letzten Akt hatte Heinrich die Einsetzung des Erzbischofs von
Bamberg zum neuen Oberhaupt der Christenheit rückwirkend legitimiert. Auch wenn
die Investitur künftiger Päpste von nun an dem Kaiser oblag: Die Adelstyrannei
in der Stadt war überwunden, das Schisma beigelegt, die Ordnung in der Kirche
wiederhergestellt.
»Unser Dank gilt dem römischen Volke!«
Während der frisch gekrönte Kaiser sich herablieÃ, die Ehrenzeichen
einer Magistratur anzulegen, um seine Verbundenheit mit der Stadt zu bekunden,
entdeckte Petrus da Silva in der Menge eine Frau
Chiara di Sasso.
Aufmerksam musterte er ihr Gesicht. War diese Frau imstande, die so
mühsam wiederhergestellte Ordnung aufs Neue durcheinanderzubringen?
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»Wir wollen zu Gott beten, dass nun endlich Friede in diese
Stadt einkehrt«, sagte Girardo di Sasso.
»Habt Ihr noch Zweifel, dass Ihr glaubt, beten zu müssen?«, fragte
Chiara, als sie an der Seite ihres Vaters den Dom verlieÃ.
Girardo di Sasso schlug den Kragen seines Pelzmantels hoch und
schaute in den Himmel, der bedenklich nach Regen aussah. »Nun ja«, sagte er,
vielleicht ist es ja ganz gut so, dass künftig Fremde
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