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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sanfte Meeresbrise strich durch die Gassen und
kitzelte die Lebensgeister der Menschen, um sie aus dem Winterschlaf zu wecken,
und die Luft war erfüllt vom Tschilpen der Spatzen, die in wolkengroßen Scharen
den Aufmarsch der kaiserlichen Truppen vor dem Petersdom begleiteten oder sich
aufgeregt um die Rossballen stritten, aus denen sie die unverdauten Haferkörner
pickten.
    Petrus da Silva stand auf der Treppe der Basilika und ließ den Blick
über die Pferde und Reiter gleiten, die auf den Befehl zum Aufbruch warteten.
Was würden die neuen Zeiten bringen? Den ersehnten Frieden für die Kirche und
die Stadt? Oder neuen Streit und Krieg? Heinrich hatte die ersten Monate des
Jahres genutzt, um in Unteritalien einige aufmüpfige Provinzfürsten zu unterwerfen.
Ob in Monte Casino, Benevent oder Capua – wo immer der Monarch erschienen war,
hatte allein seine Gegenwart genügt, um die Reichsgewalt wiederherzustellen.
Nur die Tuskulaner hatte er unbehelligt gelassen, Heinrich hatte sie weder angegriffen
noch zur förmlichen Unterwerfung genötigt. Trotzdem sammelte er jetzt sein Heer
in Rom, um wieder in den Norden zurückzukehren, ohne eine Besatzung zum Schutz
des neuen Papstes in der Stadt zurückzulassen.
    Würde sich das als Fehler erweisen?
    Der Kaiser hatte schon die Zügel seines Pferdes in der Hand, um in
den Sattel zu steigen, als er es sich noch einmal anders überlegte.
    Während er hinter einem Mauervorsprung verschwand, um sein Wasser
abzuschlagen, beobachtete Petrus da Silva die Spatzen am Himmel. Solange
Heinrich sich in Italien aufgehalten hatte, hatten die Römer Ruhe gegeben und
sich hinter den neuen Papst gestellt. Clemens hatte sogar, kaum dass er auf der
Cathedra saß, ein Konzil abgehalten, um jedwede Form des Ämterkaufs für alle
Zeit zu unterbinden: Für keine Weihe oder Übertragung eines Altars, so hatten
die Bischöfe beschlossen, dürfe künftig Geld gefordert werden, und jeder
Priester, der sich durch einen simonistischen Bischof einsetzen ließ, sollte
mit einer Kirchenbuße belegt werden. Doch die Macht des neuen Papstes, daran
hegte Petrus da Silva keinen Zweifel, würde bröckeln, noch bevor Heinrich die
Alpen überquert hatte – es war nur eine Frage der Zeit, dass die Tuskulaner
versuchten, die Vorherrschaft über Rom zurückzugewinnen. Und was tat Clemens?
Anstatt sein Banner in der Stadt hoch zu halten, begleitete er Heinrich in
Richtung Norden, um das Kloster des Heiligen Thomas in Pesaro mit seiner
Anwesenheit zu beehren und eine mildtätige Stiftung einzurichten. Ungeduldig
saß er jetzt in seinem weißen Reisekarren, dessen Giebel eine Friedenstaube
zierte, und schaute mit mürrischer Miene nach dem Kaiser.
    Hatte er Angst, dass man ihm in Rom nach dem Leben trachtete?
    Heinrich kehrte zu seinem Pferd zurück. Petrus beeilte sich, ihm den
Steigbügel zu halten. Als der König im Sattel saß, richtete er noch einmal das
Wort an ihn.
    Â»Habt Ihr die Abtretung des Peterspfennigs geregelt, Eminenz?«
    Petrus hatte gehofft, der Kaiser hätte über den Kriegszug im Süden
die Sache vergessen. Während er nach einer Begründung suchte, warum er die
Angelegenheit auf sich hatte beruhen lassen, nahm Heinrich die Zügel auf.
    Â»Pacta sunt servanda!« , sagte er.
»Verträge müssen eingehalten werden. Ich erwarte Euren Bericht!«
    Er gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte davon. Erfüllt von
dunklen Ahnungen sah Petrus da Silva, wie die Römer am Wegrand niedersanken und
mit den Händen rangen, während der Kaiser sich entfernte. Wie Kinder, die von
ihrem Vater verlassen werden.
    2
    Zur gleichen Zeit, ganz am Ende des päpstlich-kaiserlichen Trosses,
wo die Reiter und Wagenlenker noch auf den Befehl zum Abmarsch warteten,
näherte Teofilo sich einem mit Eisen bewehrten Mauleselkarren, in dem der von
Heinrich abgesetzte Papst Gregor nach Köln verbracht werden sollte. Kaum hatte
Teofilo die Nachricht von Giovanni Grazianos Aufbruch in die Verbannung gehört,
hatte er die Tuskulanerburg verlassen, um sich von seinem Taufpaten zu
verabschieden. Er wusste, es würde ein Abschied für immer sein. Giovanni
Grazianos Begleiter, ein Kappelan namens Hildebrand, ein Menschlein von
schmächtiger Gestalt, in dessen Gewahrsam der Verurteilte die Reise über die
Alpen antrat, hatte das Treffen ermöglicht.
    Die toten Augen des Greises leuchteten auf,

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