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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Nur die ärgsten
Schlaglöcher der Straße waren notdürftig mit Reisig und Knüppeln ausgebessert.
Kein Wunder, schlechte Wege warfen mehr ab als gute – wenn ein Fuhrwerk
umkippte, gab das Gesetz dem Landbesitzer, auf dessen Grund der Unfall
passierte, das Recht auf alle heruntergefallenen Gegenstände. Manchmal wünschte
Petrus da Silva sich fast einen Achsenbruch herbei. Dann wäre er seine vermaledeite
Fracht los, bevor es über die Alpen ging.
    Wie konnte man auch nur so dämlich sein, sich vergiften zu lassen?
Ein Papst hatte einen Mundschenk, und es war seine gottverdammte Pflicht, keine
Speisen und Getränke anzurühren, die nicht vorgekostet waren!
    In seinem Testament hatte der ehemalige Bischof von Bamberg verfügt,
im Schoß »seiner geliebten Braut« beerdigt zu werden, wie er seine alte Diözese
nannte. Sein Grab würde das erste Papstgrab nördlich der Alpen sein. Was für
ein unerhörter, unsinniger Luxus! Ein Fuhrwerk schaffte kaum ein Drittel der
Strecke, die ein Reiter mit einem guten Pferd hinter sich brachte – höchstens
zwanzig Meilen am Tag kamen sie voran. Allein aus Gründen unbedingter Gehorsamspflicht
hatte Petrus da Silva den letzten Wunsch seines Herrn respektiert. In Rom
brannte es an allen Ecken und Enden. Konnte es einen ungünstigeren Zeitpunkt
geben, die Stadt zu verlassen?
    Der süßliche Geruch der Verwesung stieg Petrus da Silva in die Nase.
Selbst der Leib eines so rechtschaffenen Mannes, wie dieser Papst es gewesen
war, stank nach der Sünde, die jedem menschlichen Leib innewohnte wie die
Brunft dem Eber. Ja, Clemens war ein rechtschaffener Arbeiter im Weinberg des
Herrn gewesen, mit ihm hätte die Kirche einen Vater gehabt, der sie in den
Hafen des Glaubens zurückführen würde. Wer hatte ihn auf dem Gewissen? Alle
Welt glaubte, Benedikt sei der Täter gewesen, und vieles sprach dafür. Doch
Petrus da Silva glaubte nicht, dass Benedikt das Gift in den Wein des Papstes
gemischt hatte. Ein Mann, der aus Liebe zu einer Frau auf den Peterspfennig
verzichtete, war zu einer solchen Tat nicht fähig. Nein, irgendeine andere
Kraft versteckte sich hinter Clemens’ vorzeitigem Tod, und die Vorstellung, dass
unbekannte Widersacher in Rom ihr Unwesen trieben, während er im Schneckentempo
gen Norden rumpelte, schmerzte Petrus da Silva noch mehr als sein eiternder
Zahn.
    Ein kalter Wind, der schon nach Winter schmeckte, fuhr unter die
Plane des Karrens und schlug die Leinwand in die Höhe, sodass ein feiner
Sprühregen ins Wageninnere wehte. Petrus da Silva beugte sich zu dem Lenker
vor.
    Â»Schneller!«, rief er. »Gib den Pferden die Peitsche!«
    Sie mussten sich beeilen. Wenn der erste Schnee fiel, würden sie
nicht vor dem Frühling über die Alpen gelangen. Und dann würde der Kaiser den
neuen Papst bestimmen, allein aus eigenem Entschluss, ohne den Kanzler um Rat
zu fragen.
    10
    Â»Wir müssen jetzt zuschlagen!«,
erklärte Bonifacio. »Solange Petrus da Silva fort ist! Das ist eine einmalige
Gelegenheit!«
    Â»Wie oft soll ich es wiederholen?«, entgegnete Teofilo. »Setzt auf
die Cathedra, wen Ihr wollt, aber lasst mich aus dem Spiel! Ich habe damit
nichts mehr zu tun.«
    Â»Von wegen! Ich habe ein Vermögen ausgegeben, damit bei der nächsten
Papstwahl genügend Familien Eurer Wiedereinsetzung zustimmen! Ihr steht in
meiner Schuld, ob Euch das passt oder nicht! Italien den Italienern!«
    Bonifacio beugte sich vor wie ein angriffslustiger Stier, hochrot im
pockennarbigen Gesicht. Sein Hals war so stark angeschwollen, dass man die
Adern unter der Haut pulsieren sah.
    Doch Teofilo ließ sich davon nicht beeindrucken. »Die Römer haben
das Patriziat an Heinrich abgetreten. Damit kann der Kaiser praktisch jeden zum
neuen Papst ernennen, den er will, ganz, wie es ihm passt.«
    Â»Das kann nicht Euer Ernst sein! Der Beschluss wurde nur gefasst,
damit Heinrich uns in Ruhe lässt und verschwindet. Herrgott! Ihr seid der Mann,
der Rom den Römern zurückgeben kann! Wollt Ihr da kneifen?«
    Â»Ich will, dass das alles ein Ende hat. Außerdem habe ich geschworen,
nie wieder die Cathedra zu beanspruchen.«
    Â»Mir kommen die Tränen«, fiel Bonifacio ihm ins Wort. »Verflucht
noch mal, was ist mit Euch los? Ihr wart doch früher kein Kind von Traurigkeit!
Habt Ihr die Feste in der Laterna Rossa vergessen? Den Rausch in der

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