Der Kinderpapst
seiner Tochter für einen Frieden
geopfert, der nicht von dieser Welt war.
»Heil Euch, Benedikt!«, rief Bonifacio.
»Heil Euch, Benedikt!«, riefen die Edelmänner im Chor.
Voller Entsetzen hörte Girardo di Sassa die Rufe, sah die fanatischen
Gesichter. Wussten die Römer denn nicht, was sie taten? Sie jubelten einem
Giftmörder zu! Doch was nutzten Vernunft und Philosophie, wenn Gier und
Selbstsucht das Handeln der Menschen bestimmten ⦠Es bedurfte ja nicht mal
einer Wahl, um Teofilo erneut auf die Cathedra zu heben, er wurde einfach per Akklamation
im Amt restituiert. Bonifacio hatte mit beiden Händen in seine Kasse gegriffen
und mit Dukaten nur so um sich geworfen, um die Stimmenmehrheit für die
Tuskulaner zu sichern. Und wen das Geld nicht überzeugte, der beugte sich der
Macht. Allein die Präsenz des gewaltigen Heeres, in dem der Markgraf von
Tuscien und der Kommandant des römischen Stadtregiments sich vereint hatten,
reichte aus, um jeden Widerstand zu brechen.
»Rom den Römern!«
Mit triumphalem Grinsen im Gesicht, führte Gregorio seinen Bruder
zum Thron. All die vornehmen Männer im Saal, die Grafen und Fürsten und Milizen â sie alle sanken vor Benedikt nieder. Ja, die Römer wussten zu schätzen, wie
Teofilo di Tusculo das höchste Amt der Kirche zurückerobert hatte! Mochten sie
an der Allmacht Gottes zweifeln, vor der Tatkraft eines Mörders beugten sie das
Knie.
»Ruhe!« Gregorio klopfte mit einem Stab auf den Boden.
Während der Lärm im Saal sich legte, trat Bonifacio auf Teofilo zu.
»Seid Ihr bereit, das Amt anzunehmen?«
Girardo hob die Brauen. Der Toskanagraf befragte Teofilo wie bei
einer regulären Papsterhebung. Und wie bei einer solchen Erhebung schüttelte
Teofilo den Kopf.
»Nein, ich weigere mich.«
Bonifacio wiederholte seine Frage: »Seid Ihr bereit, das Amt
anzunehmen?«
Girardo hielt den Atem an. War dies nur die Erfüllung eines
vorgeschriebenen Rituals, oder ging es hier um Teofilos wirkliche Entscheidung?
Abermals schüttelte Teofilo den Kopf. »Nein, ich weigere mich.«
Ein drittes und letztes Mal stellte Bonifacio seine Frage: »Seid Ihr
bereit, das Amt anzunehmen?«
Plötzlich war es in dem Saal so still wie in einer Kirche bei der
Wandlung. Girardo hielt die Spannung kaum aus. Vielleicht hatte er sich ja
getäuscht, und Teofilo weigerte sich ein drittes Mal â¦
Doch die winzige Hoffnung zerstob im selben Augenblick, in dem sie
aufgeflammt war.
»Ja, ich bin bereit.«
Teofilo hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da hallten die Mauern
vom Beifall der Römer wider. Nein, Girardo hatte sich nicht getäuscht. Teofilo
di Tusculo hatte nur ein Ritual erfüllt, um wieder an die Macht zu gelangen.
Was für ein widerliches Schauspiel!
Benedikt hatte kaum auf dem Thron Platz genommen, da kniete
Bonifacio vor ihm nieder und küsste seine Hand.
»Wie lautet Euer erster Befehl, Heiliger Vater?«
Benedikt zögerte mit der Antwort keinen Augenblick.
»Ergreift den Mönch, der uns des Mordes bezichtigt hat!«
13
Während die Glocken die Christmette ausläuteten, mit der Kaiser
Heinrich und sein Gefolge die Weihnachtsnacht gefeiert hatten, stapfte Petrus
da Silva durch knietiefen Schnee von der Klosterkirche zur Kaiserpfalz, einem
vollkommen schmucklosen Gebäude, in dem Heinrich Quartier genommen hatte. In
Rom hätte man keinem Stallknecht eine solche Behausung zugemutet. Aber was sollte
man von einem Land erwarten, in dem es so kalt war, dass einem die Ohren
abfroren? Die Teutonen hatten keinen Sinn für Repräsentation, sie waren nur am
praktischen Nutzen der Dinge interessiert. Statt aus Marmor und Gold bauten sie
ihre Paläste aus Holz und Schieferstein. Das versprach nichts Gutes für die
Zukunft der katholischen Kirche in diesem Land. Denn wie sollte der Glaube an
ein Himmelreich triumphieren, wenn dessen Herrlichkeit auf Erden so erbärmlich
bezeugt wurde?
Petrus da Silva schüttelte sich den Schnee von den Kleidern. Dann
zog er den Kopf ein und betrat das düstere Palais, in dem es wie in einem
Schafstall stank. Nachdem er in Bamberg die sterblichen Ãberreste von Papst
Clemens beigesetzt hatte, war er ohne Verzug nach Pöhlde gereist, einem
kleinen, gottverlassenen Nest im Harz, wo Heinrich aus unerfindlichen Gründen
die Weihnachtszeit verbrachte. Ohne den schneenassen Mantel abzulegen,
Weitere Kostenlose Bücher