Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
eilte
Petrus den niedrigen Gang entlang zum Empfangssaal. Trotz der späten Stunde
hatte der Kaiser ihm eine Audienz gewährt.
    Â»Was habt Ihr auf dem Herzen?«, fragte Heinrich und wies mit der
Hand auf einen Stuhl.
    Â»Ein Brief hat mich aus Rom ereilt«, erklärte Petrus da Silva und
nahm Platz. »Benedikt hat die Vakanz genutzt und wieder Anspruch auf den Thron
erhoben. Wir müssen einschreiten! Sofort! Bevor die Tuskulaner die Kräfte in
der Stadt neu formieren.«
    Â»Ich wollte, ich wäre meiner Sache so sicher wie Ihr«, erwiderte
Heinrich. »Aber ich fürchte, mir sind die Hände gebunden.«
    Â»Eure Hände – gebunden? Ihr seid der Kaiser des Reichs! Nichts kann
Euch hindern zu tun, was Euch gefällt.«
    Â»Doch. Die Gebote meines Glaubens.« Heinrich entrollte ein
Pergament. »Ich habe Bischof Wazo von Lüttich um ein Gutachten gebeten. Um zu
klären, wer Clemens auf der Cathedra folgen soll.«
    Â»Und – wie lautet sein Urteil?«
    Â»Der rechtmäßige Papst ist nach kanonischem Recht niemand anderes
als«, Heinrich machte eine Pause, bevor er den Satz beendete, »Teofilo di
Tusculo, Benedikt IX .«
    Â»Das ist un-er-hört!« Petrus da Silva sprang auf. »Die Tuskulaner
haben Wazo bestochen!«
    Â»Was fällt Euch ein, so über einen Mann zu sprechen, der mein
Vertrauen genießt?«
    Â»Verzeiht meine Erregung, Majestät«, erwiderte Petrus da Silva und
setzte sich wieder. »Allein die Sorge um die Kirche … Weil, dieses Urteil würde
bedeuten … das Schisma, das Ihr mit der Synode beendet habt, es … es würde
weiter …«
    Um sein unwürdiges Gestammel zu beenden, biss Petrus sich auf die
Zunge. Während er das Blut hinunterschluckte, gewann er wieder Herrschaft über
sich.
    Â»Erlaubt mir, Majestät, Euch daran zu erinnern, dass die Römer Euch
aus freien Stücken den Patriciustitel angetragen haben. Und in diesem Brief«,
er reichte Heinrich das Schreiben, das er aus Rom bekommen hatte, »fordern
diejenigen, die ihrem Kaiser treu ergeben sind, Euch ausdrücklich auf, von
Eurem Recht Gebrauch zu machen und einen Nachfolger für Clemens zu benennen.«
    Â»Mag sein«, sagte Heinrich. »Aber Wazos Gutachten kommt zu dem
Schluss, dass die Einberufung der Synode durch den Kaiser widerrechtlich war,
trotz des übertragenen Patriziats, ja, dass dieses gar keine Gültigkeit hatte …«
    Petrus hoffte, dass der Kaiser sein Schreiben nahm, um den Inhalt zu
prüfen, doch Heinrich würdigte es keines Blicks. Während Petrus den Brief
wieder einsteckte, schmeckte er den fauligen Geschmack seines Zahns, der wieder
zu eitern begonnen hatte. Am liebsten hätte er ausgespien. Diese
buchstabenbesessene Gründlichkeit der Teutonen – sollte sie die Wahrheit Gottes
und der Kirche vereiteln?
    Â»Ihr dürft Benedikt nicht auf der Cathedra akzeptieren«, sagte er.
»Die Tuskulaner waren in der Vergangenheit der Garant für die kaiserliche
Vorherrschaft in Rom. Doch wenn sie sich nun auf die Seite der Italiener
schlagen, mit Bonifacio an der Spitze, der von einem Italien unter
italienischer Herrschaft träumt …«
    Â»Was dann?«, unterbrach ihn der Kaiser.
    Â»Dann«, erklärte Petrus da Silva, »ist Rom für Euch verloren.«
    Mit einem Seufzer erhob Heinrich sich von seinem Thron. Petrus
registrierte es mit einem Anflug von Genugtuung. Hatte der Kaiser endlich
begriffen, worum es ging?
    Â»Bedenkt, was auf dem Spiel steht, Majestät. Rom ist die Hauptstadt
der Christenheit. Und die Hauptstadt Eures Reichs! Ihr braucht einen Papst, dem
Ihr blind vertrauen könnt!«
    Â»Glaubt Ihr, Ihr müsst mich über die Bedeutung Roms und seines
Bischofs belehren?«
    Heinrich machte auf dem Absatz kehrt und wandte sich zur Tür. Petrus
verfluchte seinen Übereifer. Die wirksamste Einsicht war immer die, die ein
Mensch aus sich selber gewann, und er hätte besser daran getan, den Mund zu
halten, statt zu versuchen, dem Kaiser seine Meinung aufzuzwingen. Jetzt hatte
er Heinrich gegen sich aufgebracht. Oder trieb der Harndrang ihn zum Abort?
    Der Kaiser hatte schon den Türriegel in der Hand, als er es sich
anders überlegte. Statt den Raum zu verlassen, trat er ans Fenster und schaute
hinaus in die sternklare, schneeweiße Nacht. Eine Weile war nur von draußen das
leise Läuten der Glocken zu hören.

Weitere Kostenlose Bücher