Der Kinderpapst
Greis,
dessen Namen Teofilo vergessen hatte.
»Ja, mit der Kraft des Heiligen Geistes«, bestätigte ein anderer.
»Gebe Gott, dass Ihr die Wahrheit sprecht.« Teofilo bekreuzigte
sich. »Aber auch wenn der Herr mir vielleicht diese Gnade erwiesen hat â dürfen
wir darum die Augen vor der Wirklichkeit verschlieÃen? Vor den Schandtaten, die
immer wieder in unseren Gemeinden und Diözesen geschehen?«
»Wie spricht der Herr? âºWer frei ist von Sünde und Schuld, der werfe
den ersten Stein!â¹Â«
»Jawohl! Den Splitter im Auge des anderen seht Ihr. Aber was ist mit
dem Balken im eigenen Auge?«
Teofilo hatte gewusst, dass seine Gegner alles versuchen würden, um
sich seinen Reformen zu widersetzen, und er selbst hatte ihnen dazu die nötigen
Waffen in die Hand gegeben. SchlieÃlich hatte er mehr Schuld auf sich geladen,
als der Gnadenschatz der Heiligen wettmachen konnte, und die meisten der
Kardinäle, die ihn unterstützten, hatten sich nur deshalb auf seine Seite
geschlagen, weil sie ihn für einen Mörder hielten, der seinen Vorgänger
umgebracht hatte und den sie deshalb fürchten mussten. Doch er hatte keine
Wahl. Er konnte seine Unschuld nur beweisen, wenn er auf der Cathedra saÃ.
»Ich widerspreche Euch nicht, meine Brüder«, sagte Teofilo. »Ja, ich
sehe den Balken in meinem Auge sehr wohl. Doch so, wie ich diesen Balken aus
meinem Auge herausgerissen habe, müssen wir auch die Splitter aus den Augen
unserer Brüder entfernen, wenn diese Splitter sie daran hindern, die Wahrheit
Gottes zu schauen.«
»Nennt Namen!«
»Wer sind die Täter?«
»Aber hütet Euch, Unschuldige zu beschuldigen!«
»Ihr verlangt Namen?«, fragte Teofilo. »Gut, ich will Euch drei
Täter nennen. Den Bischof von Pisaurum. Den Bischof von Castellum. Den Bischof
von Fanum.«
Die genannten Bischöfe hatten sich des Raubes und des Inzests, der
Vergewaltigung und des Mordes schuldig gemacht, um Güter ihrer Diözesen an sich
zu raffen. Jeder im Saal wusste das.
Als die Kardinäle schwiegen, fuhr Teofilo fort: »Darum bekräftigen
wir hier und heute die Beschlüsse, die auf dem Konzil unseres Vorgängers Papst
Clemens zur Erneuerung der Kirche gefasst worden sind. ReiÃen wir das Ãbel bei
der Wurzel aus. Keine Pfarrei, kein Altar, darf fortan gegen Geld gehandelt
werden.«
»Einspruch!«, rief Kardinal Giampini, der Wortführer der Sabiner.
»Schweigt!«, herrschte Teofilo ihn an. »Gelder aus Ablasszahlungen
und Spenden«, fuhr er fort, »sollen nicht länger für Bacchanalien, sondern für
die Instandhaltung der Kirchen und die Messfeiern verwendet werden. Priester
und Bischöfe aber, die sich an ihrem Glaubensvolk bereichern, werden aus ihren
Ãmtern entfernt und durch solche Gottesdiener ersetzt, die der Verbreitung des
wahren Glaubens ihr Leben weihen.«
»Einspruch!«, rief Kardinal Giampini erneut. »Damit würde angestammtes
Recht verletzt. Die Nutzung der Pfründe ist allein Sache der Priester und
Bischöfe, die sie erworben haben!«
»Gut gesprochen!«
»Angestammtes Recht!«
» Unser Recht!«
Ein Tohuwabohu brach aus. Alle riefen und gestikulierten
durcheinander, sogar der alte Pisano war aufgewacht und protestierte, und bald
verstand kaum noch einer sein eigenes Wort. Teofilo sah nur noch karmesinfarbene
Roben. Da war es wieder, das Rote Meer ⦠Die Kardinäle, die sich lauthals
schreiend über ihn ereiferten, waren fast alle noch dieselben Männer, die ihn
als Kind so sehr eingeschüchtert hatten, dass er in Tränen ausgebrochen war.
Damals hatte er den Fehler gemacht, ihre Einwände zu diskutieren. Jetzt wusste
er es besser. Es gab nur einen Weg, um Macht durchzusetzen: indem man Macht
bewies.
»Wir sind Petrus, der Fels, auf den Gott seine Kirche erbaut hat«,
erklärte er mit fester Stimme, »und Eure Aufgabe ist es, uns zu gehorchen.«
»Wir gehorchen dem Heiligen Geist!«
»Also gehorcht Ihr uns , dem Fleisch
gewordenen Wort!«
Die Kardinäle murrten, aber keiner wagte es, zu widersprechen. Bevor
neuer Protest sich regte, setzte Teofilo seine Rede fort.
»Um sicherzustellen, dass unsere Anordnungen eingehalten werden,
vereinigen wir das Sacrum Palatium, das Herzstück der päpstlichen Verwaltung,
mit dem Scrinium, dem Amt für die Ausstellung von Urkunden, zu einer
Oberbehörde
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