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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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zu
töten.«
    Â»Womit wollt Ihr eine so schwerwiegende Behauptung begründen?«,
fragte Leo.
    Â»Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie mein Bruder den Mordplan
meinem Taufpaten Giovanni Graziano gebeichtet hat.«
    Â»Ihr habt eine Beichte belauscht? Damit habt Ihr eines der heiligsten
Sakramente verletzt!«
    Â»Ohne meinen Willen oder mein Zutun, Heiliger Vater. Es war eine
Fügung, für die ich keine Verantwortung trage. Gott hat mich in jener Stunde zu
der Einsiedelei geführt. Er hat es so gewollt.«
    Leo dachte eine Weile nach. Chiara versuchte, in seinem Gesicht zu
lesen. Würde der Papst begreifen, was sie nicht begriff?
    Â»Ob Ihr willentlich oder durch die Vorsehung zum Zeugen der Beichte
wurdet, darüber wird Gott entscheiden«, erklärte Leo schließlich. »Da Ihr aber
nicht der Beichtvater wart und somit auch nicht zur Wahrung des
Beichtgeheimnisses verpflichtet seid, will ich Eure Aussage zulassen. – Sagt,
gibt es einen Beweis für Eure Behauptung?«
    Teofilo zögerte. Bevor er Antwort gab, drehte er sich noch einmal zu
Chiara herum.
    Â»Ja«, bestätigte er, den Blick fest auf sie gerichtet. »Ich habe einen
Beweis. Ein schriftliches Geständnis meines Bruders.«
    Â»Könnt Ihr es beibringen?«, wollte der Papst wissen.
    Teofilo nickte. »Es befindet sich im Stadthaus meiner Familie, in
Trastevere, nur einen Steinwurf von hier entfernt.«
    Der Papst gab Befehl, einen Boten in das Haus der Tuskulaner zu
schicken. Chiara war so erregt, dass es sie kaum auf ihrem Platz hielt. Warum
log Teofilo? Wollte er mit dem Vorwurf des geplanten Brudermords Gregorio vor
der Verurteilung wegen des Vatermords retten? … Bei dem Gedanken wurde sie fast
wahnsinnig. Wenn Gregorio freigesprochen würde, gab es für Nicchino keine
Hoffnung …
    Â»Bitte, lieber Gott, hilf«, flüsterte sie. »Wenn du mir jetzt
hilfst, will ich nie wieder um etwas bitten. Egal, wie lange ich lebe.«
    Noch während sie ihr Stoßgebet zum Himmel sandte, ging die Tür auf.
    Hatte Gott sie erhört?
    Nein – nicht ihr Vater kam in den Saal, sondern der Bote. Mit einer
Pergamentrolle in der Hand trat er an den Richtertisch.
    Leo warf einen kurzen Blick auf das Schriftstück, dann reichte er es
Teofilo zur Ansicht.
    Â»Ist dies das Geständnis Eures Bruders?«
    Â»Ja, Heiligkeit«, antwortete Teofilo. »Das ist es. Er hat es mit
eigener Hand unterschrieben.«
    Leo nahm das Pergament wieder an sich, um es sorgfältig zu prüfen.
Während er leise den Inhalt las, glaubte Chiara zu sterben.
    Â»Offenbar haben wir nur eine Tat«, erklärte der Papst nach der Lektüre,
»aber zwei verschiedene Fälle. Eine Wahrheit, aber zwei Aussagen. Einen Mord,
aber vielleicht zwei Mörder.«
    Â»Wollt Ihr ein zweites Verfahren eröffnen?«, fragte Petrus da Silva.
    Â»Nein«, erwiderte Leo. »Die Dinge gehören zusammen. Doch sie sind so
sehr miteinander verworren, dass wir nur noch nicht wissen, wie.«
    Â»Die Wahrheit ist niemals verworren, Ewige Heiligkeit«, widersprach
Petrus da Silva. »Die Wahrheit ist immer eins und ewig. Verworren sind allein
die Meinungen der Menschen. Und wenn es zwei Aussagen zu einem Tatbestand gibt – dann kann nur diejenige die wirkliche und wahrhaftige Wahrheit sein, die
Gottes heiliger Kirche …«
    Â»Schweigt!«, befahl ihm der Papst. »Maßt Euch kein Urteil an, zu dem
Ihr nicht berufen seid. Wir allein sind Christi Stellvertreter, Nachfolger des
Apostels Petrus, und wir sind fest entschlossen, die ganze und vollständige
Wahrheit herauszufinden!«
    Der Kanzler verstummte. Der Papst legte Gregorios Geständnis
beiseite und wandte sich wieder an Chiara.
    Â»Tretet näher«, forderte er sie auf.
    Â»Heiliger Vater?«
    Â»Chiara di Sasso, Ihr behauptet, dass Gregorio di Tusculo seinen
Vater ermordet hat.« Leo schaute ihr fest in die Augen. »Seid Ihr bereit, Eure
Aussage, vor diesem Gericht zu beschwören?«
    Chiara war unfähig, klar zu denken. Während die Fragen in ihrem Kopf
durcheinanderwirbelten, blickte sie hin und her zwischen dem Papst und Teofilo,
zwischen Teofilo und Gregorio, zwischen Gregorio und dem Papst. Wie konnte sie
Teofilos Zeugnis entkräften? Wenn sie den Eid verweigerte und ihre Aussage
widerrief, bevor ihr Vater mit Nicchino erschien, würde Gregorio freigesprochen.
Wenn sie aber jetzt den Schwur

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