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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Aufschub
duldet. Und falls Ewige Heiligkeit mich nicht mehr brauchen …«
    Â»Bleibt!«, herrschte Leo ihn an.
    Petrus da Silva verstummte.
    Der Papst straffte seinen Oberkörper. »Ja, die göttliche Wahrheit
ist eins und ewig«, erklärte er, »und wenn es soeben auch den Anschein hatte,
als würde es zwei Wahrheiten geben, haben wir mit Gottes Hilfe den Widerspruch
gelöst. Wir haben nur eine Tat, aber zwei Fälle. Einen Mord, aber zwei Mörder.
Der Mann, den wir des Brudermords im Geiste überführen konnten, geht nun seiner
Strafe entgegen. Den Mann aber, der für den Mord an Alberico di Tusculo zu
Unrecht hingerichtet wurde, Ugolino – ihn sprechen wir post
mortem von aller Schuld frei und empfehlen ihn der himmlischen Gnade. Im
Namen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes.«
    Â»Amen!«
    Die Kardinäle und Edelleute applaudierten. Severo trat mit Tränen in
den Augen vor den Papst, um ihm für die Wiederherstellung der Ehre seines
Sohnes mit einem Kniefall zu danken, während Petrus da Silva voller Ungeduld
auf den Schlusssegen wartete.
    Doch Leo war immer noch nicht fertig.
    Â»Die beiden Fälle, die mit der einen Tat verknüpft sind, haben wir
geklärt. Aber von den zwei Mördern, die an dem einen Mord beteiligt waren,
haben wir nur einen überführt.« Er machte eine Pause, dann sagte er: »Nun, da
der Kläger nicht den Beweis erbringen konnte, dass Gregorio di Tusculo seinen
Vater ermordet hat, fällt die Strafe auf den Kläger zurück.«
    Der Papst hielt in seiner Rede inne. Petrus da Silva hörte die
Worte, diese wenigen, unscheinbaren Worte, die ihn im ersten Moment so wenig
berührten, als würden sie einem Fremden gelten. Doch sie waren noch nicht
verhallt, da hatte sein Verstand sie erfasst, und während er ihre Bedeutung
begriff, hob er voller Entsetzen den Kopf, um in das Gesicht des Papstes zu
schauen.
    War dies die Stunde, da ihn die große Sünde seines Lebens einholte?
    Leo blickte auf ihn herab wie ein Vater auf seinen missratenen Sohn.
Als Petrus dieses Gesicht sah, wusste er die Antwort auf seine Frage.
    Ein letztes Mal erhob Leo seine Stimme.
    Â»Petrus da Silva, Ihr habt den Prozess herbeigeführt, in dem der
Sabiner Ugolino verurteilt wurde. Wegen des Urteils, das auf Euer Betreiben
gesprochen wurde, musste dieser junge Edelmann sein Leben lassen. Unter
vorsätzlicher Missachtung der Wahrheit habt Ihr an einem unschuldigen Mann den
Mord an Alberico di Tusculo gesühnt, um nun einen zweiten Mann anzuklagen,
dessen Schuld Ihr nicht beweisen konntet. Darum entheben wir Euch all Eurer
geistlichen wie weltlichen Ämter und verurteilen Euch zum Tod durch das
Schwert.«
    Petrus da Siva hörte auch diese Worte. Doch seltsam – obwohl er
ihren Sinn erfasste, spürte er sie nicht. Während sein Verstand so klar und
unbeirrbar arbeitete wie eh und je, zerfielen in seiner Seele alle Gefühle,
seine Hoffnungen und Wünsche, seine Angst und auch sein Entsetzen zu schwarzem
Seelenstaub. Und indem er das Kreuzzeichen schlug und sich vor seinem Richter
niederkniete, wuchs aus ihrer Asche, einer Rose in der Wüste gleich, die Erkenntnis
des göttlichen Willens, auf die es nur eine Antwort gab.
    Â»Amen! So soll es sein …«
    23
    Teofilo bewunderte den Gleichmut, mit dem Petrus da Silva sein
Urteil entgegennahm. Leichenblass, aber mit einer Miene, die keine Regung zu
erkennen gab, drehte der Kanzler sich zu den zwei Soldaten herum, die schon zu
seiner Festnahme bereitstanden, und streckte ihnen die Arme entgegen.
    Â»Wollt Ihr noch ein letztes Wort sagen?«, fragte der Papst.
    Petrus da Silva schüttelte den Kopf. »Nichts, was ich tat, tat ich
für die Welt, ihr Urteil kümmert mich nicht. Mein Trachten galt stets und
allein dem Wohl der Kirche. Gott ist mein Zeuge!«
    Ohne Widerstand zu leisten, ließ er sich die Fesseln anlegen.
Während er durch dieselbe Tür hinausgeführt wurde, durch die auch Gregorio den
Saal verlassen hatte, begriff Teofilo, was hier und heute geschah. Mit diesem
Prozess löste Leo das Versprechen ein, dass er den Römern bei seiner
Thronbesteigung gegeben hatte: all diejenigen zu bestrafen, die an Roms
Niedergang Schuld und Mitschuld trugen.
    Würde er nun auch über ihn zu Gericht sitzen? Zwar war er als Zeuge
geladen, doch der Prozess war noch nicht zu Ende, und seine Verbrechen

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