Der Kinderpapst
ging ein Leuchten über sein Gesicht. »Mama â¦Â«
Tränen schossen Chiara in die Augen, und sie drückte ihn noch fester
an sich. Konnte es etwas Schöneres geben, als dieses Bündel auf dem Arm zu
halten?
Plötzlich hörte sie eine Stimme in ihrem Rücken.
»Gott sei Dank, Euer Kind lebt.«
Als hätte der Teufel zu ihr gesprochen, fuhr sie herum.
»Was wollt Ihr von mir? Könnt Ihr mich nie in Ruhe lassen?«
Vor ihr stand Teofilo. Der Lärm auf dem Platz war plötzlich so laut,
dass Chiara ihn nicht mehr ertrug.
»Kommt, Vater«, sagte sie, »gehen wir nach Hause.«
Sie wollte sich abwenden, doch Teofilo streckte die Hand nach ihr
aus. Entsetzt wich sie zurück und legte ihren Arm um Nicchinos kleinen Leib, um
ihn vor der Berührung zu schützen.
»Glaubt Ihr mir immer noch nicht?«, fragte Teofilo und schaute sie
mit groÃen Augen an. »Aber ⦠ich ⦠ich habe Euch doch bewiesen, dass ich nichts
damit zu tun hatte. Meine Aussage gegen Gregorio â¦Â«
» Gegen Gregorio?«, rief sie. »Mit Eurer
Aussage habt Ihr versucht, Euren Bruder vor der Hinrichtung zu retten. Damit
ihr beide â¦Â«
Statt den Satz zu Ende zu sprechen, spuckte sie ihm ins Gesicht.
»Chiara ⦠Um Gottes willen â¦Â«
Auf dem Absatz machte sie kehrt und lief davon. Sie wollte diesen
Menschen nie mehr wiedersehen.
Niemals!
25
»Du hast keine Eier«, sagte Alberico di Tusculo voller
Verachtung. »Du bist es nicht wert, mein Sohn zu sein!«
Gregorio starrte an die Felswand, von der im flackernden Schein
einer Fackel das Gesicht seines Vaters auf ihn herabblickte.
»Ich verfluche dich! In der Hölle sollst du brennen â bis zum
Jüngsten Tag!«
Gregorio schloss die Augen. In zwei Tagen würden sie ihn an den
Galgen knüpfen, nur zwei gottverdammte Tage, die ihm noch zum Leben blieben â¦
Manchmal wünschte er sich, Gott würde die Zeit anhalten, um den letzten
Augenblick hinauszuzögern. Und gleichzeitig wünschte er sich nichts sehnlicher,
als dass der Henker endlich kam, um allem ein Ende zu machen. Denn keine Hölle
konnte schlimmer sein als die Hölle, die er bereits durchlitt. Immer wieder
wuchs sein Vater aus der Felswand hervor und überzog ihn mit Vorwürfen und
Flüchen. Wenn sie ihn wenigstens enthaupten würden, wie es sich für einen
Edelmann gehörte â nur Strauchdiebe wurden aufgehängt. Bis zur Stunde seines
Todes setzten sie alles daran, ihm die Ehre abzuschneiden.
»Du hast Schande über die Tuskulaner gebracht. Raben sollen dein
Fleisch zerhacken, wenn du am Galgen verrottest, und Hunde deine Eingeweide
fressen. Von Ewigkeit zu Ewigkeit!«
Wie siedendes Ãl drangen Gregorio die Worte seines Vaters ins Ohr.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit â was für eine grausame, unvorstellbare Qual! Tag für
Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr, ohne Aussicht auf ein Ende ⦠Plötzlich
rumorte sein Magen, ein Ziehen und Drängen im Unterleib, als hätte er unreife
Datteln gegessen, und obwohl er die Hinterbacken zusammenpresste, trieb die
Angst ihm aus dem Gedärm, und er besudelte sich wie ein Säugling.
»Und jetzt, du HosenscheiÃer?«
»Ich werde kämpfen, Vater. Das schwöre ich! Ich werde die Ehre der
Tuskulaner wiederherstellen!«
»Du und Ehre? Dass ich nicht lache!« Laut hallte die Stimme des
Toten von den Felswänden wider, wie ein Echo aus der Unterwelt.
»Glaubt mir, Vater! Einen Trumpf habe ich noch!«
Gregorio tastete nach der Urkunde, die er unter seinem Wams trug.
Warum lieà sich bloà niemand blicken? Ein Dutzend Mal hatte er den Papst zu
sprechen verlangt. Sein Leben gegen den englischen Peterspfennig, das war sein
Angebot ⦠Doch kein Bischof oder Priester, nicht mal ein Diakon verirrte sich
in seine Zelle.
»Ich kann es kaum erwarten, dass du verreckst! Ich werde dich selber
an der Höllenpforte empfangen!«
Gregorio schielte hinüber zur Zelle jenseits des Ganges, von wo ein
leises Stöhnen zu ihm drang. Petrus da Silva, der zusammen mit ihm hingerichtet
werden sollte, litt offenbar unter einem schmerzenden Zahn. Immer wieder kühlte
er die Wange mit einem Felsbrocken, doch nie unterbrach er sein Gebet. Auf dem
steinigen Boden knieend, sprach er mit Gott.
Konnte man ihn ins Vertrauen ziehen?
Gregorio hatte keine Wahl. Er brauchte jemandem, der ihm half, dem
der
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