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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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zu
bereichern. Das mag in guten Zeiten angehen, doch jetzt? Haltet Euch zurück!
Wir dürfen dem Volk keinen Vorwand geben. Der Verdacht der Zauberei in
Verbindung mit einer Hungersnot …«
    Â»Ja, ja!«, fiel Gregorio ihm ins Wort. »Jetzt könnt Ihr alle schlau
reden. Aber Ihr musstet ja unbedingt Teofilo zum Papst wählen! Ihr habt Euch
die Suppe selber eingebrockt – ja, auch du«, fuhr er Domenico an, als der etwas
einwenden wollte. »Wenn du nicht Chiara di Sasso geheiratet hättest …«
    Â»Was hat meine Frau mit dem Papst zu tun?«
    Â»Ach, leckt mich doch alle am Arsch!«
    Gregorio stürzte den Wein hinunter und knallte den Becher auf den
Tisch. Die Erschütterung löste eine neue Schmerzwelle in Petrus da Silvas
Schädel aus. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen, und er war unfähig
zu sprechen. Zum Glück sprang Domenico für ihn ein. Obwohl auch er jetzt
sichtlich erregt war, beherrschte er sich. Statt Gregorio ein weiteres Mal zu
reizen, schenkte er ihm nach.
    Â»Ich denke, wir sollten zu einem Entschluss gelangen«, sagte er. »In
unserem gemeinsamen Interesse.« Dabei schaute er erst Gregorio, dann den
Kanzler an.
    Petrus wartete, bis der Schmerz ein wenig nachließ. »Ich schlage
zwei Maßnahmen vor«, sagte er schließlich. »Erstens, das Stadtregiment
patrouilliert ab sofort bei Tag und bei Nacht – in sämtlichen Straßen und
Gassen, in allen Vierteln und auch in den Vororten. Wir müssen die Autorität
wiederherstellen. Dabei werden die Männer angewiesen, rücksichtslos von ihren
Waffen Gebrauch zu machen, wann immer dies nötig ist. Das wird Eure Aufgabe
sein, edler Herr Gregorio. Seid Ihr dazu bereit?«
    Der Tuskulaner grinste. »Es wird mir ein Vergnügen sein.«
    Petrus da Silva registrierte die Zustimmung mit Erleichterung.
»Zweitens«, fuhr er fort, »wollen wir die Gemüter mit einer päpstlichen
Fürbittmesse beruhigen. Der kommende Aposteltag scheint mir dazu bestens
geeignet. Wollt Ihr, edler Herr Domenico, dafür Sorge tragen, dass alle
Adelsfamilien an der Feier teilnehmen? Damit wir gemeinsam für das römische
Volk beten können?«
    Der Crescentier nickte.
    Â»Sehr schön.« Petrus da Silva hob die Hand zum Segen. »Gehet hin in
Frieden.«
    Seite an Seite knieten Gregorio und Domenico vor ihm nieder.
    Â»Dank sei Gott dem Herrn.«
    13
    Teofilo streifte sich die Alba über, ein bis zu den Füßen
reichendes Unterkleid aus weißer Seide, das ein Kaplan für ihn bereitgelegt
hatte, zusammen mit den anderen Gewändern seines Ornats. Welches Teil kam als
Nächstes? Erst die rote Dalmatika und dann die weiße Tunicella? Oder umgekehrt?
    Ratlos blickte er auf all die Umhänge und Tücher und Gürtel, die vor
ihm ausgebreitet waren. Würde er sich ihre Reihenfolge und Namen je merken?
Petrus da Silva hatte eine Audienz anberaumt – Pilger aus irgendeinem fernen
Land, dessen Sprache Teofilo nicht sprach, aus Frankreich oder England, hatten
um den Segen des Heiligen Vaters gebeten. Obwohl inzwischen vier Jahre seit
seiner Erhebung vergangen waren, konnte er immer noch nicht glauben, dass
Menschen Hunderte von Meilen pilgerten, quer durch Europa und über die Alpen,
nur um ihn zu sehen.
    Vom Glockenturm der Basilika schlug es zur vollen Stunde. Teofilo
entschied sich für die rote Dalmatika. Als er den Umhang ergriff, wehte ihn ein
Duft an, der ihn gleichermaßen abstieß und betörte. In den Falten des schweren,
kostbaren Stoffes hing noch der Duft der Sünde – in diesem Gewand hatte er die
Frau empfangen, die sein Vater ihm geschickt hatte. Er schloss die Augen und
versenkte sein Gesicht in dem Stoff. Tief sog er den süßlichen Duft ein. Die
Fremde hatte ihm den Himmel zeigen wollen – warum war er ihr nicht gefolgt? Nur
aus Angst vor der Sünde? Bei der Erinnerung spürte er wieder dieses schmerzlich
schöne Sehnen in seinen Lenden, dieses wollüstige Bedürfnis, sich ganz und gar
auszuliefern, ein Bedürfnis, das umso größer und stärker wurde, je mehr er sich
dagegen wehrte …
    Â»Ewige Heiligkeit?«
    Als hätte ihn jemand bei etwas Verbotenem erwischt, ließ Teofilo die
Dalmatika fahren. Vor ihm stand sein Taufpate Giovanni Graziano.
    Â»Ehrwürdiger Vater? Ich … ich hatte gar nicht gewusst, dass Ihr …«
    Â»Pssst.« Der Einsiedler

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