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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Mann stets treu gewesen. Aber«,
sagte sie nach einer Pause, »bricht eine Frau nicht auch dann die Ehe, wenn
ihre Gedanken einem anderen Mann gehören als demjenigen, dem sie vor Gott
anvertraut wurde und dem beizuwohnen ihre Pflicht ist?«
    Â»Das ist eine schwierige Frage«, entgegnete Bartolomeo. »Wie Ihr
wisst, können wir nicht nur mit unseren Taten sündigen, sondern auch in unseren
Worten und Gedanken. Aber sagt mir – wer ist dieser Mann, der Eure Gedanken
beherrscht? Ist er wie Ihr verheiratet?«
    Abermals schüttelte Chiara den Kopf. »Nein, er … er ist an keine
Frau gebunden. Weil – dieser Mann … er darf keine Frau lieben.«
    Abt Bartolomeo begriff. »Dann ist er also ein Diener Gottes?«
    Â»Ja, ehrwürdiger Vater«, sagte sie leise.
    Â»Kenne ich ihn?«
    Â»Jeder Römer kennt ihn.«
    Â»Wollt Ihr ihn mir nennen?«
    Chiara zögerte. Auch wenn Abt Bartolomeo noch so sanftmütig ihren
bangen Blick erwiderte – wenn sie ihm die Wahrheit sagte, musste er sie
verdammen. Kein Ehebruch konnte schlimmer sein als ihrer, den sie in Gedanken
schon so oft begangen hatte. Doch durfte sie darum schweigen? Alles in ihrem
Herzen drängte danach, ihre Nöte einem anderen Menschen anzuvertrauen.
    Â»Sein Name ist Teofilo«, flüsterte sie. »Teofilo di Tusculo.«
    Â»Verstehe ich Euch recht?«, erwiderte Bartolomeo so laut, dass die
ganze Kirche davon widerhallte. »Ihr sprecht von Benedikt IX .,
Seiner Heiligkeit dem Papst?«
    Statt einer Antwort senkte Chiara den Kopf. Der Abt holte tief Luft,
und eine lange Weile hörte sie nur seinen Atem.
    Â»Dann weiß ich nur einen Rat«, sagte er schließlich. »Ihr müsst Euch
Gottes Führung anvertrauen und ihn darum bitten, dass er Euch gnädig leitet.«
    Chiara hob den Blick. »Aber wenn Beten nicht hilft?«
    Â»Habt Ihr so wenig Vertrauen in Gott?«, fragte er mit strenger
Miene.
    Â»Nein, ehrwürdiger Vater. Aber ich habe Angst vor mir selbst. Weil
ich weiß, wie schwach und wankelmütig ich bin.«
    Bartolomeo fand zu seinem Lächeln zurück »Wenn Ihr dies begriffen
habt, meine Tochter, seid Ihr trotz Eurer Jugend bereits auf dem rechten Weg.
Und sollte die Versuchung Euch überkommen«, fügte er hinzu, »ein Mittel hilft
immer – gleichgültig, wie groß Eure Not auch sein mag.«
    Â»Sagt Ihr mir, wie dieses Mittel heißt?«
    Â»Arbeit«, erklärte er.
    Â»Arbeit?«, wiederholte sie verwundert. »Aber … ich bin eine
Edelfrau, und es ziemt sich doch nicht, wenn eine Edelfrau …«
    Â»Was sich ziemt, sagt Euch am besten Euer Gewissen«, unterbrach er
sie sanft. »Arbeit hilft jedem Menschen, mit seinem Schicksal fertigzuwerden.
Sie versöhnt uns nicht nur mit uns selbst, sie versöhnt uns auch mit Gott. Was
soll daran schlecht sein?«
    Chiara atmete auf. Sie hatte nur wenige Worte mit dem Abt getauscht,
und doch fühlte sie sich nach dem kurzen Gespräch so frei und froh wie schon
lange nicht mehr. Bartolomeo hatte in ihr Herz geschaut und sie trotzdem nicht
verdammt. Hatte sie einen Freund in der Not gefunden?
    Â»Ich danke Euch, ehrwürdiger Vater«, flüsterte sie und erhob sich.
    Â»Der Herr sei mit dir«, sagte er.
    Â»Und mit deinem Geiste.«
    Sie wollte seine Hand ergreifen, um sich von ihm zu verabschieden –
da schrak sie zusammen.
    Aus dem Schatten einer Säule trat eine Gestalt hervor. Wie ein
unheimlicher Schemen erkannte sie im Gegenlicht das Gesicht.
    Domenico.
    11
    Auf dem Heimweg wünschte Chiara sich, ihr Mann hätte ihr keinen
eigenen Karren geschenkt, um ihr das unbequeme Reisen zu Pferde zu ersparen.
Sie wäre lieber geritten, wie andere Frauen es auch taten. Dann wäre sie jetzt
nicht gezwungen, an seiner Seite zu sitzen und bei jedem Blick
zusammenzuzucken. Wenn Domenico gehört hatte, was sie Abt Bartolomeo anvertraut
hatte – nicht auszudenken! Seit sie verheiratet waren, wurde er von einer
Eifersucht geplagt, die stärker war als er. Zwar hatte er noch nie einen Verdacht
geäußert, geschweige denn ihr Vorwürfe gemacht, doch immer, wenn sie in die Nähe
anderer Männer kam, und sei es in der Kirche bei der Messe, spürte sie, wie er
sie mit ängstlichen Blicken verfolgte. Dabei bekam sie jedes Mal ein schlechtes
Gewissen. Sie wusste ja, was ihn quälte: Sie hatte unter ihrem Kopfkissen eines
Morgens einen

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