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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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und der Geruch von Rauch stieg
Teofilo in die Nase. Im nächsten Moment erblickte er die schwarzen Umrisse der
Einsiedelei, die sich wie das schartige Gebiss eines Riesen vor dem
dunkelblauen Nachthimmel abhoben. Durch ein Mauerloch drang schwacher Lichtschein
nach draußen. Bei dem Anblick fiel alle Angst von ihm ab.
    Mit schmerzenden Gliedern stieg er aus dem Sattel und band seinen
Wallach an einem Baum fest. Doch als er sich der Klause näherte, hörte er
leises Stimmengemurmel. Sein Pate war nicht allein. Teofilo hielt den Atem an.
    Wer war außer Giovanni Graziano noch in der Einsiedelei? Ein Freund
oder Feind?
    Vorsichtig, um keine Geräusche zu machen, schlich Teofilo im
Schatten des Gemäuers zur Tür. Er hatte sie fast erreicht, da knackte unter
seinem Fuß ein Zweig.
    Â»Was war das?«, fragte jemand im Innern.
    Teofilo erkannte die Stimme. Sie gehörte Gregorio – seinem Bruder.
    Â»Keine Angst«, hörte er Giovanni Graziano antworten. »Das war nur
ein Tier. Das Wild kommt manchmal nachts bis ans Haus.«
    Erleichtert wollte Teofilo die Tür öffnen. Aber als er durch den
Spalt seinen Bruder sah, stutzte er. Gregorio kniete vor dem Einsiedler auf dem
Boden, die Hände zum Gebet gefaltet.
    Was hatte das zu bedeuten? Nahm Giovanni Graziano ihm die Beichte
ab?
    Teofilo wusste selber nicht, warum. Aber statt einzutreten, zog er
geräuschlos die Tür wieder zu und lugte durch das Mauerloch. Gregorio war in
einem schlimmen Zustand. Er schien von einer panischen Angst besessen, sein
Gesicht war kreidebleich, seine Stimme überschlug sich beim Sprechen, und immer
wieder schaute er links und rechts über die Schulter, als wähne er irgendwo
einen Meuchelmörder, der jeden Moment über ihn herfallen konnte. Dabei redete
er so laut, dass Teofilo die meisten Worte und Sätze verstehen konnte.
    Â»Die Sonnenfinsternis war ein Zeichen. Gott wollte mich warnen. Aber
zu spät!«
    Â»Willst du nur darum die Beichte ablegen?«, erwiderte Giovanni
Graziano. »Aus Angst vor deiner Strafe?«
    Â»Ihr müsst mich freisprechen, ehrwürdiger Vater!«
    Â»Nur wenn du dich der Welt offenbarst.«
    Â»Niemals!« Plötzlich zückte Gregorio ein Messer und setzte es dem
Einsiedler an die Kehle. »Falls Ihr mich verratet – ich warne Euch! Wenn ich
zur Hölle fahre, nehme ich Euch mit!«
    Â»Du brauchst mir nicht zu drohen«, erwiderte der Eremit ruhig und
gelassen. »Ich werde dich nicht verraten, das Beichtgeheimnis verbietet es mir.
Aber keine Macht der Welt kann mich zwingen, dir die Absolution zu erteilen,
bevor du deine Schuld vor einem irdischen Gericht gestanden hast.«
    Teofilo spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror, und trat von
der Tür zurück.
    Hatte sein eigener Bruder ihm nach dem Leben getrachtet?
    6
    Domenico schaute verwundert auf das zweigezinkte Essbesteck,
das der Diener ihm vorlegte. Die Gabel bei Tisch galt als ein Werkzeug des
Teufels – schließlich hatte Jesus Christus mit den Fingern gegessen. Doch
Petrus da Silva, der für seine ausgefallenen Tischmanieren ebenso berühmt war
wie für seine erlesenen Weine, hatte sich über dieses allgemeine Urteil
hinweggesetzt und das neuartige Tischwerkzeug, das angeblich die byzantinische
Gemahlin eines venezianischen Dogen nach Italien gebracht hatte, als erster
Römer in seinem Haushalt eingeführt.
    Â»Probiert es nur aus«, forderte er Domenico auf. »Ihr werdet sehen –
damit isst es sich wesentlich eleganter.«
    Â»Wenn Ihr erlaubt, werde ich den nächsten Gang überspringen.«
    Der Diener lüftete den Deckel einer Schüssel, und in heißen Schwaden
stieg der Geruch von Fisch auf. Domenico musste an sich halten, um sich seinen
Widerwillen nicht anmerken zu lassen – solange er zurückdenken konnte, ekelte
er sich vor Fisch. Warum musste Petrus da Silva ihn auch bei Tisch empfangen
statt in der Kanzlei? Das Gespräch fiel ihm ohnehin schwer genug, er hatte in
seinem Leben noch nie einen Menschen denunziert. Doch es war die einzige
Möglichkeit, seiner Frau zu beweisen, dass er nicht an dem Anschlag der Römer
auf den Papst beteiligt gewesen war.
    Â»Ich habe das Messer in Gregorios Hand gesehen«, sagte er so
unvermittelt, dass Petrus da Silva die Stirn runzelte.
    Â»Welches Messer?«
    Â»Bei dem Aufstand in der Basilika. Gregorio hatte als Einziger ein
Messer dabei, alle anderen Männer

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