Der Kinderpapst
dem
Themenwechsel.
»Und an die ewige Verdammnis?«
»Wie könnte ich daran zweifeln! Aber warum fragt Ihr?«
»Weil ich Euch Gelegenheit geben möchte, Eure unsterbliche Seele vor
der ewigen Verdammnis zu retten.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Dann will ich es Euch erklären.« Das Gesicht des Kanzlers
verfinsterte sich. »Ich will, dass Ihr Klage erhebt. Gegen Ugolino. Wegen
Mordes an dem Grafen von Tuskulum.«
»Seid Ihr von Sinnen?«, rief Domenico. »Warum sollte ich das tun?«
»Ich sagte es bereits: um Eure Seele zu retten. Weil, wenn Ihr Euch
weigert, der heiligen Kirche den Dienst zu erweisen, den ich von Euch verlange,
werde ich Euch exkommunizieren lassen. Dann scheidet Ihr nicht nur aus der
Gemeinschaft der Gläubigen aus, sondern seid für immer von Gott getrennt.«
»Macht Ihr Witze, Eminenz?«
Domenico schaute in das glatte Gesicht des Kanzlers. Doch nichts
darin gab Anlass, an der Ernsthaftigkeit seiner Worte zu zweifeln.
»Trinkt noch einen Schluck«, sagte Petrus da Silva und schenkte ihm
eigenhändig nach.
Domenico rührte den Becher nicht an.
»Ich begreife«, sagte er. »Ihr wollt Ugolino umbringen lassen, um
die päpstliche Macht zu erhalten. Und ich soll Euch dabei helfen.«
Petrus da Silva nickte. »Der Heilige Geist hat Benedikt auf die
Cathedra berufen. Also müssen wir als seine Diener alles dafür tun, dass sein
Wille geschehe.«
»Das ist Erpressung!«
»Nur zu Eurem Wohle!«
»Dass ich nicht lache!«
»Bedenkt, es geht um Euer Seelenheil!«
»Aber wenn ich Anklage erhebe, und der Angeklagte wird freigesprochen,
fällt das Urteil auf mich zurück und die Strafe wird an mir vollstreckt.«
»Wir alle sind in Gottes Hand«, bestätigte Petrus da Silva. »Aber
macht Euch keine Sorge. Der Richter, der den Prozess führt, wird gewiss nicht
an der Stichhaltigkeit Eurer Klage zweifeln. AuÃerdem, der drakonische
Rechtsbrauch, den Kläger im Falle einer gescheiterten Beweisführung anstelle
des Angeklagten zu bestrafen, ist kein zwingender Rechtsgrundsatz. Er kann in Anwendung gebracht werden, muss aber nicht.«
Domenico griff nach dem Becher. Er wollte einen Schluck trinken, um
seiner Erregung Herr zu werden. Doch seine Hand zitterte so stark, dass er den
Becher nicht heben konnte, ohne den Wein zu verschütten.
»Verstehe ich Euch recht?«, fragte er. »Wenn ich Euer Spiel nicht
mitspiele, werdet Ihr mich vernichten?«
»Ich selber hätte es nicht präziser formulieren können.«
Domenico nahm mit beiden Händen den Becher und stürzte ihn hinunter.
»Nein«, sagte er dann. »Ich werde Euch den Gefallen nicht tun. Und
wenn ich dafür ewig in der Hölle leiden muss.«
Ãber das Gesicht des Kanzlers huschte ein Lächeln. »Ihr seid ein
mutiger Mann«, sagte er, »Und um ehrlich zu sein, ich hatte nichts anderes von
Euch erwartet.« Das Lächeln verschwand so schnell von seinen Lippen, wie es
gekommen war. »Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als zum letzten
Mittel zu greifen, um Euch zur Vernunft zu bringen.«
»Ich wüsste nicht, womit Ihr mir noch drohen könnt«, erwiderte
Domenico und stand auf. »Sucht Euch für Eure Drecksarbeit jemand anders.« Ohne
Gruà wandte er sich zur Tür.
»Ganz wie Ihr wollt«, sagte Petrus da Silva. »Aber â was ist mit
Eurer Frau?«
»Chiara?« Domenico drehte sich noch einmal um. »Was ⦠was hat sie
damit zu tun?«
»Haltet Ihr mich wirklich für so einfältig?«, fragte der Kanzler.
»Ich weià genau, warum Ihr heute zu mir gekommen seid. Ihr wolltet mit Eurer
Klage gegen Gregorio Eurer Frau Eure Unschuld beweisen. Doch niemand ist
unschuldig, die Erbsünde lastet auf uns allen, und wenn Ihr jetzt geht, war
Euer Versuch vergeblich.« Ohne den Blick von Domenico abzuwenden, führte er
seine Gabel zum Mund. »Sagt selbst: Soll die edle Herrin Chiara wirklich ihr
ganzes Leben lang glauben, Ihr wäret Teil der Verschwörung gewesen? Der Verschwörung
gegen den Mann, den sie so viel mehr liebt als Euch?«
7
Lautes Vogelgezwitscher weckte Teofilo aus unruhigem Schlaf. Er
war durch einen dunklen Wald geirrt, rennend um sein Leben. Sein Bruder und
eine Horde Verfolger schnappten mit hundert Händen nach seiner Kehle und
versuchten, ihn im Laufen zu erdrosseln, während er strauchelnd
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