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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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vollen Stunde
geschlagen, doch jedes Mal, wenn sich etwas regte, war es falscher Alarm
gewesen. Teufel noch mal, wie viele rohe Eier hatte Ugolino zum Frühstück
geschlürft, dass er immer noch bei Kräften war? Gregorios jüngerer Bruder
Pietro war schon im Sattel seines Pferdes eingeschlafen.
    Â»Los, wach auf!«
    Gregorio stieß Pietro in die Seite, ohne die Taverne aus den Augen
zu lassen. Knarrend öffnete sich die Tür. Mit dem Lichtschein drang aus dem
Innern lautes Lachen und Grölen hinaus in die Nacht.
    Â»Endlich!«, zischte Ottaviano, der mit seinem Pferd am nächsten zu
dem geduckten Gebäude stand. »Das ist er!«
    Gregorio verengte die Augen, um besser zu sehen. Im rötlichen Licht
der Laterne erschien eine Gestalt, die er erkannte, ohne ihr Gesicht zu sehen.
Ugolino und er hatten es vor Jahren einmal zu zweit einer kleinen Brünetten
besorgt. Im selben Moment schoss ihm das Leben in die Lenden, so heftig wie die
Lust zum Töten.
    Â»Wartet! Noch nicht!«
    Er gab seinen Brüdern ein Zeichen, in Deckung zu bleiben. Er wollte
erst sicher sein, dass Ugolino keine Begleiter hatte. Lautlos zog er sein
Schwert aus der Scheide. Erst als er sah, dass Ugolino allein die Taverne
verließ, hob er den Arm und zeigte mit der Klinge auf den Sabiner.
    Â»Jetzt!«, sagte er und gab seinem Pferd die Sporen.
    18
    Der Prozess gegen den Sohn des Sabinergrafen fand in der Engelsburg
statt, einem gewaltigen Koloss aus Stein und Marmor, der sich am Ufer des
Tibers erhob – der sicherste Ort in ganz Rom. Hier, hinter den mächtigen Mauern
der kreisrunden Festung, die vor einer Ewigkeit als Mausoleum erbaut worden
war, hatte Benedikt sich nach seiner Rückkehr in die Stadt mit seinem Gefolge
verschanzt, wie in früheren Zeiten Dutzende anderer Päpste vor ihm, die den
Zorn des Volkes hatten fürchten müssen.
    Am frühen Morgen betrat Domenico die Burg. Die ganze Nacht hatte er
kein Auge zugetan. Auf dem Weg zum Cortile, in dem die Verhandlung geführt
wurde, fühlte er sich mit jedem Schritt elender, als wäre er selber der
Angeklagte, über den man heute das Urteil fällen würde, nur mit dem
Unterschied, dass er noch gar kein Verbrechen begangen hatte, sondern erst hier
vor Gericht zum Verbrecher werden würde. Bis zuletzt hatte er gehofft, dass der
Kelch an ihm vorüberging. Doch der Kanzler hatte ihn durch zwei bewaffnete
Soldaten zur Engelsburg schaffen lassen, damit er sich seiner Befragung zu dem
Aufstand im Petersdom nicht entziehen konnte.
    Â»Wer hat Alberico, den Grafen von Tuskulum, während der Fürbittmesse
am Aposteltag des Jahres 1037 ermordet?«
    Domenico traute seinen Augen nicht. Am Richtertisch saß, angetan mit
der Robe des ersten Konsuls von Rom, Gregorio, während sein Bruder, Papst Benedikt,
ihm gegenüber thronte: die weltliche und geistliche Macht der Tuskulaner.
    Â»Habt Ihr die Frage nicht gehört?«, wiederholte Gregorio. »Tragt
Eure Anklage vor!«
    Domenico spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Er hatte
gewusst, dass Petrus da Silva nicht das Verfahren führen konnte – kein
kirchlicher Richter durfte Blut vergießen. Doch nie und nimmer hätte er
gedacht, dass der Mörder selbst über den Fall zu Gericht sitzen würde.
Plötzlich begriff er, warum der Kanzler ihm versichert hatte, dass die Stichhaltigkeit
seiner Klage nicht in Frage gestellt werden würde.
    Während Domenico nach Worten rang, erhob Petrus da Silva sich an
Benedikts Seite.
    Â»Erlaubt Ihr, dass ich für Euch die Fragen stelle?«, wandte er sich
an Gregorio.
    Ohne dessen Antwort abzuwarten, trat er auf Domenico zu. Im selben
Augenblick drehte Ugolino sich auf der Anklagebank um: zwei Augen voller Angst.
Domenico wandte den Kopf beiseite, um den Blick nicht erwidern zu müssen.
    Â»Wer hat den Aufstand im Dom angezettelt?«, wollte Petrus da Silva
wissen.
    Domenico schaute in das weiße, makellos rasierte Gesicht des
Kanzlers. Der Moment der Entscheidung war gekommen. Die Worte, die er nun
sagte, würden über das Leben des Angeklagten entscheiden. Und über sein
eigenes.
    Â»Wer hat den Aufstand angezettelt?«, fragte der Kanzler noch einmal.
    Domenico musste sich zwingen, die wenigen Worte aus sich
herauszupressen.
    Â»Der Angeklagte«, sagte er leise.
    Â»Lauter!«
    Â»Der Angeklagte«, bestätigte er noch einmal.
    Â»Nennt seinen

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