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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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seiner armen Seele gnädig«, sagte Ermilina und
bekreuzigte sich.
    Teofilo hörte die Todesschreie, die kaum gedämpft durch die
Fensterscheiben zu ihm drangen, und starrte auf den Brei in seiner Schüssel.
Wie sollte er einen Bissen herunter kriegen, wenn im Cortile der Mörder seines
Vaters hingerichtet wurde?
    Â»Erbarmen!«
    Mit beiden Händen hielt Teofilo sich die Ohren zu. Sein Bruder hatte
das Urteil gesprochen und den Richterstab über den Sohn des Sabinergrafen
gebrochen. Aber war Ugolino wirklich der Mörder? Teofilo beschwor ihre Kindheit
herauf, wie Ugolino ihm die Hose vom Leib gerissen hatte, vor Chiaras Augen,
stellte sich vor, wie der Sabiner mit einem Messer auf seinen Vater einstach,
erinnerte sich an Pietro da Silvas Worte, dass die Verschwörer es in Wirklichkeit
auf ihn, den Papst, abgesehen hatten … Doch die Schreie hörten und hörten nicht
auf.
    Â»Gnade, Benedikt! Gnade!«
    Teofilo sprang auf und öffnete ein Fenster. Heiß schlugen die
Flammen ihm entgegen, eine lodernde Hölle, in der er nichts erkennen konnte.
    Plötzlich sah er den Verurteilten. Noch nie hatte er solche Qual im
Gesicht eines Menschen gesehen.
    Â»Ugolino!«
    Inmitten der Flammen hob der Sabiner den Kopf, und für einen Moment
trafen sich ihre Blicke. Die Erkenntnis fuhr Teofilo wie ein Blitz in die
Glieder: Nein, das war nicht der Mörder. Sein Bruder hatte den Anschlag
angezettelt, er hatte in der Beichte ja seinen Plan gestanden, Teofilo
umzubringen – nur die Sonnenfinsternis hatte dafür gesorgt, dass das Attentat
missglückt und ihr beider Vater an Teofilos Stelle umgekommen war. Wenn es
einen Schuldigen gab, der hätte verurteilt werden müssen, dann Gregorio.
    Â»Aufhören!«, rief Teofilo. »Lasst ihn frei!«
    Er rief so laut, wie er nur konnte. Doch der Scharfrichter und seine
Knechte hörten ihn nicht, zu laut war das Prasseln und Knallen der
Feuersbrunst. Aufgestützt auf ihre Schürhaken, ließen sie einen Krug Wein
kreisen und wischten sich den Schweiß aus ihren rußgefärbten Gesichtern –
zufriedene Männer nach getaner Arbeit. Nur Ugolinos Lippen bewegten sich,
hilflos und stumm.
    Â»Bindet den Mann los! Sofort!«
    Teofilo beugte sich aus dem Fenster, winkte und ruderte mit den
Armen, um sich bemerkbar zu machen. Aber zu spät! Schon schlugen die Flammen
über dem Sabiner zusammen.
    Â»Schau nicht hin. Gott hat es so gewollt.«
    Seine Mutter zog ihn vom Fenster fort. Teofilo ließ es geschehen.
    Â»Das ist unsere Schuld …«, flüsterte er.
    Â»Unsere Schuld?«, fragte sie. »Ach, mein armer kleiner Liebling. Du
hast keine Schuld. Du hast nur getan, was du tun musstest. Weil Gott es so
wollte.«
    Teofilo blickte sie mit großen Augen an. »Versteht Ihr denn nicht? Wir haben ihn umgebracht! Gott hat nichts damit zu tun!«
    Er riss sich von seiner Mutter los und stieß sie mit beiden Händen
von sich. Während sie zurücktaumelte, trat er gegen einen Schemel, mit solcher
Wucht, dass er gegen die Wand flog, nahm eine Vase und warf sie zu Boden. Der
Anblick der Scherben tat ihm gut. Aber nur für einen Atemzug. Dann brach er in
Tränen aus und schlug die Hände vors Gesicht.
    Â»Warum habt Ihr mich in dieses Amt gezwungen?«
    Seine Mutter antwortete nicht. Nur unheilvolles Schweigen füllte den
Raum. Auch Ugolinos Schreie waren verstummt.
    War es endlich vorbei?
    Teofilo nahm die Hände vom Gesicht.
    Â»Iss deinen Brei«, sagte seine Mutter leise. »Die Datteln sind aus
Sizilien. Sie schmecken köstlich.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann hier nicht mehr leben. Ich hasse
diese Stadt. Ich muss weg! Für immer!«
    Â»Aber das geht nicht. Du bist der Papst!«
    Â»Wer zum Teufel sagt das? Ich bin kein Papst! Ich bin es nie
gewesen! Und will es niemals sein!«
    Â»Mein armer, armer Junge.« Seine Mutter legte den Arm um ihn und
strich ihm über das Haar. »Ich weiß, wie sehr du leidest. Aber nimm Vernunft
an. Es gibt nur eine Möglichkeit, dass ein Papst Rom verlässt – durch seinen
Tod.« Sie nahm seine Hand und drückte sie so fest, dass es wehtat. »Du darfst
nicht aufgeben! Hörst du? Das ist eine Prüfung! Der Herr hat dich auserwählt –
als seinen Stellvertreter!«
    Â»Hört endlich auf damit! Solange ich denken kann, behauptet Ihr das.
Aber ich bin kein Erwählter! Gott hat nichts mit mir

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