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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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abgeklungen waren, hatten den nötigen Vorwand
geliefert: Wenn ein Mann einer Frau beiwohnte, die vom Blut gezeichnet war,
bestand die Gefahr, ein wasserköpfiges oder blödsinniges Kind zu zeugen. So
predigten es jedenfalls die Priester von den Kanzeln.
    Vor Chiaras Kammer blieb Domenico stehen. Als sie eintreten wollte,
griff er nach ihrem Arm.
    Â»Das Blut an meinem Gewand, nach dem Attentat – ich weiß, was Ihr
deshalb denkt. Aber Ihr irrt Euch.«
    Mit der Türklinke in der Hand, schaute Chiara ihn an. Sollte sie ihm
glauben? Sie war von der Beteiligung ihres Mannes an dem Überfall auf Teofilo
so fest überzeugt gewesen, dass sie ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte.
Jetzt war ihre Gewissheit dahin, seine Klage gegen Ugolino war ja der
unumstößliche Beweis, dass er nicht zu den Verschwörern gehörte.
    Hatte sie ihn vielleicht nur deshalb verachtet, weil sie selber ein
schlechtes Gewissen hatte und ihn verachten wollte ?
    Obwohl es ihm offenbar schwerfiel, hielt Domenico ihrem Blick stand.
    Â»Warum habt Ihr mir nicht gesagt, dass Ugolino das Messer gehörte?«,
fragte sie.
    Â»Weil ich mir selber nicht sicher war«, entgegnete er.
    Â»Und trotzdem habt Ihr Ugolino bezichtigt? Aber dann habt Ihr ja vor
Gericht …«
    Â»Ich wurde erpresst«, fiel er ihr ins Wort. »Ich konnte ja nur bezeugen,
was ich gesehen hatte. Und wenn sie Ugolino freigesprochen hätten, hätten sie
mich an seiner Stelle hingerichtet. Das hat Petrus da Silva mir unumwunden erklärt.«
    Â»Dann sagt mir eins: Hat Ugolino den Mord begangen?«
    Domenico zögerte.
    Â»Bitte, ich muss es wissen.«
    Â»Ich … ich weiß es nicht«, sagte er schließlich.
    Chiara war so enttäuscht, dass auch sie eine Weile schwieg.
    Â»Könnt Ihr mir wenigstens sagen, ob ihm das Messer gehörte, mit dem
Alberico erstochen wurde? Damit ich irgendetwas habe, um Euch zu vertrauen?«
    Domenico schüttelte den Kopf. »Nein, nicht einmal das kann ich
sagen.«
    Â»Warum nicht? Weil Ihr es nicht wisst?«
    Â»Nein. Das ist nicht der Grund. Sondern … sondern …«
    Â»Sondern was?«
    Â»Um Eurer Sicherheit willen.«
    Â»Um meiner Sicherheit willen?«
    Â»Ja«, bestätigte er. »Wenn Ihr die Wahrheit wisst, kann das für Euch
gefährlich werden. Und das will ich nicht riskieren. Die Vorstellung, dass Euch
durch meine Schuld etwas passieren könnte …«
    Er spürte ihre Verunsicherung und nahm ihre Hand.
    Â»Glaubt mir, ich liebe Euch, mehr als mich selbst, und wenn Ihr mir
die Möglichkeit gebt, werde ich alles versuchen, um Euch glücklich zu machen.«
    Chiara wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Abt Bartolomeo
hatte ihrem Mann Glauben geschenkt und ihr versichert, dass sie Domenico
vertrauen könne … Aber woher wollte der Mönch das wissen? Selbst vor Gericht
hatte Domenico nicht die Wahrheit gesagt, das hatte er ihr ja gerade selber
gestanden … Als sie die Augen schloss, sah sie in ihrem Innern ein anderes
Gesicht: Teofilo. Im selben Moment spürte sie wieder die schwarze Krake, die
von ihrer Seele Besitz ergriffen hatte.
    Warum war es nur so schwer, herauszufinden, was die Wahrheit war und
was Lüge?
    Â»Bitte schaut mich an«, sagte Domenico, als würde er ihre Gedanken
erraten.
    Chiara hob den Blick.
    Â»Die Sabiner haben den Kaiser aufgefordert, den Papst abzusetzen.
Ich … ich habe den Brief nicht unterschrieben – wegen Euch …«
    Â»Das habt Ihr getan?«
    Â»Ja, Chiara.« Domenico nickte. Und als er die Erleichterung in ihrem
Gesicht sah, fügte er hinzu: »Ich habe beschlossen, auf die Lustvilla zu
verzichten. Ich wollte Euch eine Freude mit dem Haus machen, weil ich dachte,
Ihr würdet lieber in der Stadt leben als hier in den Bergen. Aber ich glaube,
ich weiß jetzt etwas Besseres.« Er machte eine Pause. Dann sagte er: »Über das
Geld, das ich für den Bau vorgesehen hatte, sollt Ihr frei verfügen. Für Armenspeisungen,
für die Pflege von Kranken – was immer Ihr wollt.«
    Chiara spürte, wie ihr die Tränen kamen. »Ich weiß Eure Großzügigkeit
zu schätzen«, sagte sie. »Wirklich. Aber – bitte drängt mich nicht, gebt mir
noch ein wenig Zeit.«
    Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, und bevor er etwas einwenden
konnte, verschwand sie in ihrer Kammer.
    Allein.
    6
    Lautes Hundegebell

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