Der Kinderpapst
gebrochen.« Behutsam, fast
zärtlich strich er seinem Falken über das Gefieder und setzte ihm wieder die
Haube auf den Kopf. »Ist diese Frau der Grund, warum Ihr nicht in Eure Stadt
zurückkehren wollt?«
Teofilo schaute den Kaiser an. Durfte er sich diesem Mann anvertrauen?
Manchmal hatte er das Gefühl, er würde platzen, weil es niemanden gab, mit dem
er über all die Dinge sprechen konnte, mit denen er nicht fertigwurde â Petrus
da Silva und seine Mutter würden ihn eher einsperren als ihm helfen. Als Konrad
ihm nun mit ernster Miene zunickte, gewann das Bedürfnis, jemandem seine Not
mitzuteilen, in Teofilo die Oberhand über die Angst, sich preiszugeben, und
ohne weiter nachzudenken, öffnete er sein Herz. Alles, wovon seine Seele
überquoll, erzählte er dem Kaiser: von Chiara di Sasso, der Frau, der er seit
seiner Kindheit versprochen war ⦠Von ihrer Liebe, die sie schon so viele
Jahren verband ⦠Von dem Tag, da sie auseinandergerissen worden waren ⦠Wie er
gegen seinen Willen zum Papst erhoben worden war, und Chiara den Crescentier
Domenico hatte heiraten müssen, für den Frieden zwischen den verfeindeten
römischen Adelsfamilien â¦
Ohne ihn zu unterbrechen, hörte Konrad seine Geschichte an. Erst als
Teofilo verstummte, räusperte Konrad sich.
»Ich glaube, ich weià eine Lösung«, erklärte er.
»Wirklich?«, platzte es aus Teofilo hervor.
Konrad nickte. »Wenn der Papst und der Kaiser sich verbünden, ist
alles möglich.« Abermals reichte er ihm die Hand. »Wenn ich Euch den Himmel auf
Erden beschere â seid Ihr dann bereit, mir dermaleinst ein Plätzchen im Himmel
zu sichern?«
Das Gesicht des Kaisers strahlte eine solche Zuversicht aus, dass
Teofilo nicht länger zögerte und in die dargebotene Hand einschlug.
7
Chiara stand am Fenster des Turmzimmers, eine vergessene Stickerei
in der Hand, und blickte hinunter in den Burghof, wo in den langen Schatten des
ausklingenden Tages der Feierabend anbrach. Zwei Mägde fütterten die Hühner und
Gänse, die Stellmacher und Schmiede und Wagner räumten ihr Werkzeug zusammen
und brachten es in die Geräteschuppen, und die Knechte trieben das Vieh zur
Nacht in den Stall. Nur Domenico, ihr Mann, war noch mit Arbeit beschäftigt,
zusammen mit einem Tischler. Einen Bauplan in der Hand, verglich er die
Zeichnung mit einem hölzernen Modell, das wie ein kleines Haus aussah, und gab
irgendwelche Anweisungen.
Hatte er es sich anders überlegt und doch beschlossen, die
Stadtvilla zu bauen?
Chiara wollte sich gerade abwenden, um ihre Stickerei wiederaufzunehmen,
da läutete die Glocke der Burgkapelle zum Angelus. Der Engel
des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist ⦠Als sie das Kreuzzeichen schlug und die vertrauten Worte murmelte, hielt unten
im Hof auch Domenico in seiner Arbeit inne, um sich zu bekreuzigen und den
Angelus zu beten. Das kleine Ritual, mit dem sie getrennt voneinander, doch
gleichzeitig in ein und demselben Augenblick den herannahenden Abend heiligten,
berührte Chiara in der Seele.
War Domenico vielleicht doch der Mann, den Gott für sie bestimmt
hatte?
»Er hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will!«
In der Tür stand Anna, das Gesicht strahlend vor Glück.
»Wer hat dich was gefragt?«, erwiderte Chiara zerstreut. »Wovon
redest du?«
»Von Antonio. Ich habe dir doch von ihm erzählt! Er will mich
heiraten!«
Anna hatte ihr aschblondes Haar zu zwei Zöpfen geflochten, und ihre
Augen leuchteten, als stünde sie bereits vor dem Traualtar. Chiara beneidete
sie. War es wirklich so einfach, glücklich zu sein? Ihre ausladenden Hüften
waren wie geschaffen, ein Kind nach dem andern zu gebären, und ihr voller Busen
würde so viel Milch hergeben, dass sie damit zwei Säuglinge gleichzeitig nähren
konnte.
»Bist du sicher, dass er der Richtige ist?«
»Und ob ich das bin!«
Chiara wollte etwas sagen, aber sie konnte es nicht. Die unerschütterliche
Gewissheit ihrer Zofe war zu viel für sie. Sie wandte sich ab und begann
hemmungslos zu schluchzen.
»Um Himmels willen!«, rief Anna. »Was hast du?«
Statt zu antworten, schüttelte Chiara den Kopf und nahm ihre Zofe in
den Arm, um sie an sich zu drücken, so fest sie nur konnte.
»Ich wünsche dir alles Glück der Welt.«
»Aber deshalb musst
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