Der Kinderpapst
vermischte sich mit den Hetzrufen der Treiber,
die in den nebelverhangenen Sümpfen am Ufer des Po alles Wild aufscheuchten,
das sich in Büschen oder Erdhöhlen oder Nestern versteckte. Schon im frühen
Morgengrauen hatte die kaiserlich-päpstliche Jagdgesellschaft Cremona
verlassen, eine ganze Armee bewaffneter Männer, um in der Stille des neuen
Tages über die Flusslandschaft hereinzubrechen, und hatte inzwischen eine
Strecke von über tausend Stück Wild erlegt: Rehe und Hirsche, Rebhühner und
Enten, Hasen und Füchse.
An der Seite des Kaisers, der einen Jagdfalken auf dem Arm trug,
stieà Teofilo immer weiter in die Sümpfe vor. Er hatte sich schon lange nicht
mehr so sehr auf einen Tag gefreut wie an diesem Morgen â die Jagd verband ihn
mit einem Leben, das er für immer verloren geglaubt hatte. Dafür hatte er sich
sogar über den Willen seines Kanzlers hinweggesetzt. Jedem Geistlichen, so
hatte Petrus da Silva ihn ermahnt, sei die Jagd strengstens verboten, und das
gelte in ganz besonderem Maà für den Papst. Doch der Kaiser hatte sich nicht um
das Verbot geschert und Teofilo vor Anbruch des Tages wecken lassen, um sich
mit ihm auf den Weg zu machen, bevor der Kanzler aufwachte.
»Pssst ⦠Da drüben!«
Konrads Vorstehhund zeigte einen Fasan an. Während der Kaiser die
Haube vom Kopf seines Falken nahm und den Jagdvogel zum Steigen in die Luft
warf, sah Teofilo einen Hasen, der kaum einen Steinwurf vor ihnen verharrte.
Den Blick auf das Tier gerichtet, spannte er seinen Bogen. Doch bevor er den
Pfeil abschieÃen konnte, hielt Konrad ihn mit energischem Griff zurück.
»Ich habe es langsam satt, dass Euer Kanzler die Verhandlungen immer
weiter hinauszögert.«
Der Hase erwachte aus seiner Erstarrung und suchte in langen Sätzen
das Weite. Teofilo lieà Pfeil und Bogen sinken.
»Ich ⦠ich habe damit nichts zu tun.«
»Das ist ein Fehler. Ihr solltet wissen, was Euer Kanzler in Eurem
Namen tut. Petrus da Silva stellt täglich neue Forderungen, damit Eure
Heiligkeit meine MaÃnahmen gegen den Mailänder Bischof absegnet. Forderungen
nach Geld, nach Lehen und Pfründen. Offenbar will er die Gelegenheit nutzen, um
Eure Schulden zu bezahlen, die Eure Wahl verursacht hat.«
»Warum tut Ihr nicht einfach, was Ihr für richtig haltet?«, erwiderte
Teofilo unsicher, während der Falke über ihnen in der Luft auf seine Beute
wartete. »SchlieÃlich seid Ihr der Kaiser.«
Mit einer Handbewegung befahl Konrad seinem Hund, den Fasan
aufzuscheuchen. Der Hund gab Laut, und der Vogel flatterte auf. Im selben
Moment stürzte der Falke wie ein Stein vom Himmel, mit dicht am Körper
angelegten Flügeln, und als er fast den Erdboden streifte, öffnete er seine
Schwingen und schlug mit den Krallen im Flug den Fasan.
»Ich will offen zu Euch sein«, erklärte Konrad, »Petrus da Silva hat
Recht â ich brauche Euch, nur Ihr könnt Bischof Eriberto absetzen.« Während
Teofilo sich über die Offenheit des Kaisers wunderte, landete der Falke auf
Konrads Arm, zusammen mit der noch lebenden Beute. »Und auch darin hat Euer
Kanzler Recht«, fuhr der Kaiser fort und drehte dem Fasan die Gurgel um, »das
Bündnis der Tuskulaner und des Kaisers ist unverzichtbar für das gesamte
Römische Reich.«
Er warf das tote Beutetier einem Jagdhelfer zu und belohnte seinen
Falken mit einem Stück rohem Fleisch. Dann streckte er Teofilo die Hand hin.
»SchlieÃen wir einen Pakt!«
Teofilo zögerte. »Ohne meinen Kanzler kann ich keine Entscheidung
treffen.«
»Papperlapapp«, erwiderte der Kaiser. »Ihr seid der Papst â Ihr
allein entscheidet!«
Teofilo fragte sich, ob Konrad sich über ihn lustig machte. Doch
kein noch so kleines Lächeln im Gesicht des Herrschers wies darauf hin, im
Gegenteil. So unwohl Teofilo bei der Vorstellung zumute war, eine Entscheidung
ohne seinen Kanzler zu fällen, fühlte er sich gleichzeitig so geschmeichelt,
dass er ein Grinsen unterdrücken musste. Kein Zweifel: Der Kaiser buhlte um
seine Gunst â der Kaiser um seine Gunst!
»Warum wollt Ihr nicht zurück nach Rom?«, fragte Konrad plötzlich.
Teofilo spürte, wie er rot wurde. »Wie ⦠wie kommt Ihr darauf?«
»Im Brief der Sabiner war die Rede von einer Frau«, sagte Konrad.
»Man unterstellt Euch, Ihr hättet mit ihr die Ehe
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