Der Kinderpapst
du doch nicht weinen.«
»Ach Anna. Du weiÃt ja nicht, wie das ist, wenn man â¦Â«
Mit einem Schluchzer riss Chiara sich von ihrer Zofe los und wandte
sich wieder zum Fenster.
Doch Domenico war verschwunden.
8
Die Tische bogen sich unter den Schüsseln und Platten, die die
Köche zu den Klängen von Mandolinen und Flöten und Fiedeln in den Prunksaal des
Lateranpalastes trugen, wo Seine Heiligkeit, Papst Benedikt IX ., sowie der Kaiser des Römischen Reiches gemeinsam
einem Festmahl vorsaÃen, das nahezu alle Edelleute der Stadt und der Campagna
versammelte. Um seine Verbundenheit mit dem rechtmäÃigen, von Gott und der
Kirche eingesetzten Pontifex vor aller Welt zu bekunden, war Konrad Seite an
Seite mit Teofilo in Rom eingeritten, an der Spitze seines tausendköpfigen
Heeres, sodass niemand es gewagt hatte, seine Stimme gegen Benedikts Rückkehr
auf den Thron zu erheben.
Während nun die Vertreter der Adelsfamilien in einem endlosen Zug an
dem Doppelthron der beiden Potentaten vorbeidefilierten, um ihren Treueschwur
in Gegenwart des päpstlichen Herrschers zu erneuern, wurden die herrlichsten
Speisen serviert. Und als ein halbes Dutzend Diener ein Gestell präsentierte,
auf dem eine mannshohe Pastete prangte, die bekrönt war von einem mit Biberschwänzen
und Bärenschinken garnierten Schwanenbraten, überkam Teofilo zum ersten Mal
seit seiner Inthronisation das Gefühl, ein gröÃerer und bedeutenderer Mensch zu
sein, als er zuvor gewesen war.
»Aaaaaahhhhh!«
Unter dem Beifall der Gäste platzte die Pastete auf, und heraus
flatterte eine Schar zwitschernder Vögel. Im nächsten Moment sprang ein Zwerg
aus dem riesigen Backwerk hervor. Mit einem Trummscheit unter dem Arm verbeugte
er sich, um sodann mit einem Bogen der Darmsaite seinem Instrument so laut
knatternde Töne zu entlocken, als litte ein Regiment Soldaten an Blähungen.
Dazu zog er ein Gesicht, als wäre er selber der Hauptleidtragende.
»Ich glaube, Eure Herrschaft ist für die nächste Zeit gesichert«,
sagte Konrad, während der ganze Saal brüllte vor Lachen. »Nun, seid Ihr
zufrieden mit unserem Geschäft?«
Noch bevor Konrad die letzten Worte sprach, erblickte Teofilo
plötzlich Chiara. Am untersten Ende der Tafel, in der Nähe des Ausgangs, als
wolle sie sich verstecken, saà sie Seite an Seite mit ihrem Mann. Als ihre
Blicke sich trafen, senkte sie den Kopf. Doch nur für einen Moment, der kaum
einen Wimpernschlag dauerte, dann schaute sie wieder zu ihm hin.
»Ist sie das?«, fragte Konrad.
Teofilo war ebenso verlegen wie stolz. Wie wunderschön Chiara war â¦
Sie hatte ihr Haar unter einem Kopftuch versteckt, wie eine Nonne, doch das
machte sie fast noch anmutiger. Und obwohl sie so weit von ihm entfernt saÃ,
dass er nicht mehr von ihr erkennen konnte als ihre grüne Tunika, glaubte er
das Blau ihrer Augen zu sehen, die zwei Grübchen auf ihren Wangen, das Lächeln
ihrer zartrosa Lippen ⦠Ob sie unter ihrem Kleid wohl wieder zwei
verschiedenfarbige Strümpfe trug?
»Bei Gott, die ist aller männlicher Mühen wert.« Konrad blickte
lachend auf die Wölbung, die sich unter Teofilos Ornat abzeichnete. »Und wie
verliebt sie in Euch ist! Der arme Ehemann!«
Teofilo fiel in sein Lachen ein, er konnte nicht anders, sein Stolz
war gröÃer als seine Scham. Doch als Chiara ihm plötzlich den Rücken zukehrte,
wurde er ernst.
»Wann beruft Ihr die Synode ein?«, fragte er. »Ich kann es nicht
länger erwarten, dass sie meine Frau wird. Auch muss ich fürchten, dass Petrus
da Silva etwas unternimmt, um mich daran zu hindern. Er will von dem Plan
nichts wissen und hat sich darum sogar geweigert, mich heute zu begleiten.«
Der Kaiser hob seinen Becher und prostete ihm zu. »Vertraut auf mein
Wort«, sagte er. »Geschäft ist Geschäft. Sobald ich in Apulien für Ordnung
gesorgt habe, werde ich alle Hindernisse beseitigen, die Euerm Glück im Wege
stehen.«
9
»Darf ich vorlegen?«
Chiara nickte, und der Vorschneider füllte ihren goldenen Teller mit
einer weiteren Portion Fleisch und Pastete. Ohne wahrzunehmen, was sie sah,
blickte sie auf die mundgerechten Stücke, während irgendwo im Saal der Zwerg
auf dem Trummscheit unaufhörlich seine Knatterlaute produzierte.
»Habt Ihr wirklich solchen Hunger?«, fragte Domenico.
»Wie
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