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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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bitte?«
    Â»Gerade hat der Vorschneider Euch zum sechsten Mal hintereinander
gefragt, ob er Euch vorlegen soll, und Ihr habt schon wieder genickt, statt ihn
daran zu hindern, Euren Teller weiter aufzufüllen.«
    Â»Sechs Mal hintereinander?«, wiederholte Chiara, ohne mit ihren
Worten irgendeinen Sinn zu verbinden, und zupfte an ihrem Kopftuch.
    Erst jetzt wurde sie gewahr, welche Unmengen Fleisch und Pastete
sich vor ihr türmten. Dabei war sie unfähig, auch nur einen einzigen Bissen zu
sich zu nehmen. Sie schaute ja nur auf ihren Teller, um nicht Teofilos Blicke
erwidern zu müssen. Er wirkte so fröhlich und ausgelassen an der Seite des
Kaisers – die zwei lachten die ganze Zeit und schienen sich köstlich zu
amüsieren. Wie konnte er nur so glücklich sein, während sie selber vor Kummer
verging? Hatte er denn alles vergessen? Nein, sie hätte nicht hierherkommen
dürfen, jeder Augenblick war eine Pein. Denn ihn zu sehen und ihn doch nicht in
die Arme schließen zu dürfen, war noch schlimmer, als zu Hause zu sitzen und
allein um ihn zu weinen, wie sie es fast jede Nacht tat, wenn Domenico an ihrer
Seite schlief. Ja, sie hatte gut daran getan, ihr Haar zu bedecken.
    Â»Chiara, wo seid Ihr?«
    Â»Was habt Ihr gesagt?«
    Â»Ihr habt Euch so viel vorlegen lassen, dass Ihr einen zweiten
Teller braucht. Dabei habt Ihr gar nichts angerührt, weder vom Fleisch noch von
der Pastete. Die Leute schauen schon.« Domenico spießte ein Stück von seinem
Teller auf. »Schwanenbraten – wenigstens davon solltet Ihr probieren.«
    Sie rang sich ein Lächeln ab und griff nach ihrem Messer. Wenn
Domenico ihr zuliebe jeden Abend Fisch hinunterwürgte, war sie ihm den kleinen
Gefallen wohl schuldig. Doch als sie ein Stück Braten zum Mund führte, war ihr,
als würde jemand ihre Kehle zudrücken. Nein, es ging nicht, der kleinste Bissen
würde ihr im Hals steckenbleiben. Während sie ihr Messer wieder sinken ließ,
erhoben sich paarweise ihre Tischnachbarn, um den Potentaten ihre Aufwartung zu
machen.
    Chiara erschrak. Mussten die Frauen ihre Männer etwa zum Thron
begleiten?
    Â»Ich möchte nach Hause«, erklärte sie. »Jetzt gleich!«
    Â»Das geht nicht«, erwiderte Domenico. »Ich muss meinen Treueschwur
erneuern.«
    Â»Bitte! Lasst uns gehen!«
    Â»Unmöglich!« Er legte seine Hand auf ihren Arm. »Keine Sorge, es ist
gleich vorbei. Und wenn wir es hinter uns haben, wartet zu Hause eine
Überraschung auf Euch.«
    Noch während er sprach, stand er auf und reichte ihr seinen Arm. Um
irgendeinen Halt zu haben, hakte sie sich bei ihm unter, und bevor sie wirklich
begriff, was mit ihr geschah, stand sie vor Teofilo. Sie sah weder seine Tiara
noch seinen weißen Mantel oder die roten Pantoffeln, nicht den Kreuzstab und
nicht den Thron. Nur sein Gesicht sah sie …
    Mit einem Knicks sank sie zu Boden. Im selben Moment hörte sie seine
Stimme.
    Â»Bitte steht auf!«
    Chiara hob den Kopf und sah vor sich seine ausgestreckte Hand. Sie
war ihr so vertraut, dass sie durch den weißen Handschuh hindurch jeden seiner
Finger zu sehen glaubte. Die Finger, die sie einst so zärtlich gestreichelt
hatten …
    Â»Ewige Heiligkeit …«
    Noch während sie nach der Hand griff, um seinen Ring zu küssen, half
Teofilo ihr vom Boden auf.
    Â»Ich sollte vor dir niederknien statt du
vor mir«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Ach, Chiara … Du kannst dir nicht
vorstellen, wie sehr ich dich vermisse.«
    Für einen Moment streiften seine Lippen ihre Wange. Die kleine Berührung
reichte, dass sie am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Wie sollte sie diesen
Augenblick überleben? Sein Gesicht war so nah, dass sie ihn hätte küssen
können. Und doch war er so unerreichbar fern, als lebe er in einem anderen
Land.
    Â»Teofilo …«
    Plötzlich war sie mit ihm allein im Saal. Während das Trummscheit
knatterte, als würde der Teufel Hochzeit feiern, ertrank sie in seinem Blick,
in seinen grünen lächelnden Augen.
    Mein Gott, wie sehr fehlte er ihr!
    Â»Ich gelobe, Euch zu gehorchen und zu folgen, was immer Ihr befehlt.
Als Euer treuer Untertan.«
    Domenicos Stimme holte sie in die Wirklichkeit zurück. Ohne dass sie
es gemerkt hatte, war ihr Mann an ihre Seite getreten, um vor dem Papst seinen
Eid zu leisten.
    Das war mehr, als sie verkraften konnte.
    Â»Ewige

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