Der Kinderpapst
bis die Schmerzen in ihrem Unterleib
abgeklungen waren. Dann ging sie in den Nebenraum, wo Anna ein Bad für sie
vorbereitet hatte. Während sie ihr Bettkleid abstreifte, kam ihre Zofe herein
und reichte ihr einen Brief.
»Der wurde gestern Abend abgegeben. Heimlich, für dich. Ich musste
schwören, ihn keinem anderen Menschen zu zeigen.«
Chiara blickte auf das Siegel. Als sie die Inschrift sah, fing sie
an zu zittern. Es war das Siegel des Papstes.
»Ich sorge schon mal dafür, dass der Herr nicht verhungert.«
Kaum war Anna verschwunden, begann Chiara zu lesen.
⦠Du hast meinen Brief nicht beantwortet.
Aber glaubst Du, Dein Schweigen könnte unser Schicksal ändern? Wir sind
füreinander bestimmt, und darum mache ich mich jetzt auf den Weg nach Süden,
auch ohne eine Antwort von Dir, doch in der Hoffnung und Gewissheit, dass
unsere Liebe stärker ist als alle Zweifel.
Chiara spürte, wie ihr Herz vor Aufregung klopfte. Teofilo
hatte den Mut, all die Dinge auszusprechen, die sie kaum zu denken wagte â¦
Eilig las sie weiter, als könnten sonst die Zeilen vor ihren Augen sich
auflösen wie ein schöner Traum. Aber nein, das war kein Traum! Sein Bruder, so
schrieb er, sei bereits in Apulien beim Kaiser, und sobald Konrad seinen
Feldzug gewonnen habe und die Ordnung in Salerno wiederhergestellt sei, würde
er in Neapel eine Synode einberufen, um den Zölibat aufzuheben â¦
⦠Wenn ich zurück bin, musst du deine Ehe
mit Domenico auflösen. Ich weiÃ, Chiara, das wird nicht leicht für Dich sein.
Damit der Spruch ergehen kann, musst Du vor einem Kirchengericht beeiden, dass
das Kind, das Du verloren hast, nicht von Deinem Mann war â¦
Erschrocken lieà Chiara den Brief sinken. Was verlangte Teofilo
von ihr? Sollte alles, was sie sich wünschte und wonach sie sich sehnte, auf
einer Lüge gründen? Einer Lüge um ihr tot geborenes Kind? Bei dem Gedanken
senkte sich ein grauer, schmutziger Schleier über ihr Glück ⦠Doch bevor die
Zweifel sie hindern konnten, griff sie wieder zu dem Brief, um weiterzulesen,
all die wunderbaren Zeilen, in denen Teofilo ihre Zukunft beschrieb, ihr
gemeinsames Leben, in dem es keine Trennung mehr gab, keine Grenze zwischen ihm
und ihr â¦
⦠Dann sind wir endlich vereint, für immer
zusammen, Du und ich, und es gibt nichts mehr auf der Welt als uns beide und
unsere Liebe â¦Ja, mein Engel, unser Glück ist zum Greifen nah â¦
Bei den letzten Worten lief ein Schauer über ihren nackten
Leib, und eine Woge erfasste sie, die stärker war als sie, während in ihrem
Innern sich jene Tür öffnete, die ihr in Domenicos Armen stets verschlossen
blieb. Sie presste den Brief an ihre Lippen und küsste Teofilos Namen.
Wäre es nicht die gröÃte Sünde überhaupt, gröÃer noch als Ehebruch
und Verrat, ein solches Glück auszuschlagen, wenn Gott bereit war, es ihr und
dem Papst zu schenken?
17
»Ich verbiete dir diese Reise!«, erklärte Ermilina. »Ein für
alle Mal! Sie bedeutet dein Unglück!«
»Ihr könnt mir gar nichts verbieten«, erwiderte Teofilo und fuhr
fort, seinen Mantelsack zu packen. »Solange ich lebe, habt Ihr mir Vorschriften
gemacht und mich gezwungen, Dinge zu tun, die mir verhasst waren, ohne je
danach zu fragen, wie ich eigentlich leben möchte. Und wenn ich jetzt endlich
das tun kann, was ich schon immer wollte, dann â¦Â«
»Dann was?«, unterbrach ihn seine Mutter. »Kein Mensch hat dich je
zu etwas gezwungen, alles war Gottes Entscheidung! Gott hat dich zu seinem
Stellvertreter bestimmt! Niemand sonst! Und wenn du jetzt versuchst, seine
heiligsten Gesetze zu brechen, nur weil der Kaiser dein Komplize ist â¦Â« Sie
wandte sich an den Kanzler, der sie begleitet hatte. »Herr im Himmel, so sagt
Ihr doch auch mal was!«
»Ihr kennt meine Meinung«, antwortete Petrus da Silva. »Und Seine
Heiligkeit auch. Ich kann nur hoffen, dass Konrad meine Depesche rechtzeitig
erhält.«
»Ihr habt dem Kaiser geschrieben?« Teofilo fuhr herum. »Hinter
meinem Rücken?«
»Ich habe Euch schon einmal gesagt, Ewige Heiligkeit: Wenn Ihr den
Pfad der Tugend verlasst, ist es meine Pflicht, Euch auf diesen Pfad
zurückzuführen.«
»Einen Teufel werdet Ihr tun! Ich bin der Papst, und mein Wille ist
Gesetz!« Wütend warf er den Mantelsack zu Boden und packte
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