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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Predigt,
ohne noch einmal zu ihrem Mann zurückzukehren. Sie hatte in den Abgrund ihrer
Wünsche und Sehnsüchte geschaut, und wenn es einen Ort gab, um von diesem
Taumel zu genesen und die Kraft zu finden, Domenico je die Frau zu sein, die er
verdiente, dann hinter den Mauern der Abtei, wo sie nun Gott dafür dankte, dass
er sie vor der schlimmsten Sünde ihres Lebens und der sicheren Verdammnis
bewahrt hatte.
    Ja, Gott hatte sie von der Versuchung erlöst, im allerletzten Augenblick,
bevor sie ihr erlegen war. Aber würde er ihr auch verzeihen?
    Während sie sich schweigend in die Schar der Brüder und Schwestern
einreihte, die mit gefalteten Händen und gesenkten Köpfen aus den verschiedenen
Zellentrakten zu der Abteikirche strebten, beschloss sie, nach dem gemeinsamen
Gebet eine Kerze vor dem Marienaltar anzuzünden. Vielleicht würde Gott sie
eines Tages erhören und in ihrem Herzen endlich ein Licht entfachen, das allein
für Domenico brannte.
    Sie überquerte gerade den Eingangshof, da ließ ein lautes Klopfen an
der Pforte sie zusammenfahren.
    Â»Ã–ffnet das Tor!«
    Chiara erstarrte. Die Stimme gehörte dem Mann, den sie liebte und
den sie niemals wiedersehen durfte.
    Â»Aufmachen! AUF-MA-CHEN !«
    Wieder hämmerte es gegen das Tor. Chiara hielt sich die Ohren zu.
Sie wollte in die Kirche fliehen, in den Schutz ihres Glaubens, doch sie konnte
es nicht. Unfähig, sich zu rühren, sah sie, wie der Kustos die Pforte öffnete.
    Â»Chiara!«
    Im selben Moment, in dem sie ihren Namen hörte, erblickte sie ihn,
kaum einen Steinwurf entfernt. Er stieß den Kustos beiseite und lief auf sie
zu.
    Â»Teofilo …«
    Dann stand er vor ihr, und die Liebe schoss ihr mit solcher Macht in
die Glieder, dass sie zurücktaumelte. Nur Gott konnte ihr jetzt helfen. Sie
faltete die Hände, um zu beten.
    Â»Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel …«
    Sie legte die ganze Inbrunst ihres Glaubens in das Gebet. Doch die
Worte waren zu schwach.
    Â»Endlich habe ich dich gefunden«, sagte Teofilo. »Mein Engel, mein
Leben …«
    Sein Gesicht war so nah, dass sie am ganzen Leib zu zittern anfing.
Er war doch alles, wonach sie sich sehnte. Was konnte sie noch verlieren, wenn
sie diesen Mann verlor?
    Â»Hör auf, mich zu quälen.«
    Â»Nur wenn du sagst, dass du mich nicht liebst.«
    Chiara öffnete den Mund, um die Worte zu sagen, die alles beenden
würden. Aber die Lüge blieb ihr im Hals stecken.
    Â»Siehst du?« Er nahm ihre Hand und presste sie an sich. »Auch wenn
wir nicht heiraten können, wir werden einen Weg finden. Unsere Liebe ist
stärker als …«
    Â»Nein«, rief sie, »ich liebe dich nicht!« Wie ein Dämon entwich der
Schrei ihrer Brust.
    Â»Was … was sagst du da?«
    Â»Ich … ich liebe dich nicht«, flüsterte sie.
    Â»Nein, das ist nicht wahr! Du lügst! Ich sehe es an deinen Augen!«
Er fasste sie an den Schultern und schüttelte sie.
    Chiara hatte nicht die Kraft, die Worte ein drittes Mal zu wiederholen.
Ihre Kraft reichte nur noch für ihr Gebet.
    Â»Und erlöse uns von dem Übel …«
    Mit ungläubigen Augen starrte er sie an. Ȇbel?«
    Eine endlose Weile schwebte das Wort über ihnen. Plötzlich
verhärtete sich Teofilos Gesicht. Alle Liebe, alle Hingabe, alle Zärtlichkeit
verschwanden aus seinem Blick, um einem Glanz darin zu weichen, der Chiara
schon als Kind geängstigt hatte.
    Â»Nein, ich liebe dich nicht …«, sagte sie ein drittes Mal. »Und ich
werde dich niemals lieben, weil ich dich nicht lieben darf.«
    Mit einem Ruck riss sie sich von ihm los. Ohne ihn noch einmal
anzuschauen, machte sie kehrt und lief, so schnell sie konnte, davon, zurück in
den Schutz ihrer Zelle.
    Irgendwo krähte ein Hahn.

FÜNFTES KAPITEL: 1044
    SUPERBIA
    1
    Â»Schaff Geld herbei!«
    Â»Die Kassen sind leer. Ich weiß nicht, wovon wir unsere Schulden
bezahlen sollen, und du verlangst von mir …«
    Â»Hörst du schlecht? DU SOLLST GELD
HERBEISCHAFFEN !«
    Wütend warf Teofilo seinen Becher gegen die Wand. Das Jubiläum
seiner Thronbesteigung stand vor der Tür, und sein Bruder wagte es, ihm ins
Gesicht zu sagen, dass kein Geld da war? Er musste sich beherrschen, um ihn
nicht aus dem Saal zu prügeln. Geld war das Einzige, was ihn am Leben hielt.

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