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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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November anfing, eine neue Ruine auszubauen. Casa Lascone, oberhalb von Badia a Ruoti. Kennst du das Haus?«
    Anne schüttelte den Kopf.
    »Ich war ein paarmal dort. Auf den ersten Blick macht es den Eindruck, als habe er sich mit dem Ausbau von Casa Lascone ein bisschen mehr Mühe gegeben. Aber bei ihm weiß man ja nie. Nach außen sieht immer alles fabelhaft aus.«
    »Du bist der erste Mensch, den ich treffe, der nicht die allerbeste Meinung von Enrico hat. Das wundert mich richtig.«
    Eleonore zuckte die Achseln. »Möchtest du ein Glas Wein?« »Nein danke. Es ist viel zu heiß. Und ich will nachher noch nach
    Siena. — Weißt du, was aus Casa Lascone geworden ist?«
    »Ein Belgier hat es gekauft. Enrico hat es wie immer spottbillig abgegeben. Wahrscheinlich, weil er wegen seines Pfusches ein schlechtes Gewissen hatte.« Sie kicherte. »Und stell dir vor, jetzt hab ich vor kurzem im Ort gehört, dass der Belgier wütend ist, weil sein Pool ständig Wasser verliert. Er wird ihn wohl aufreißen müssen.« Sie sah Anne freundlich an. »Ich wünsch es dir wirklich nicht, aber ich denke, du wirst in Valle Coronata noch große Probleme kriegen.«
    Anne musste lachen. »Herrlich, wie du schimpfen kannst. Und wie ging es dann weiter?« »Dann wurde es hier in der Toscana immer schwieriger, preiswerte Ruinen zu finden, die man ausbauen konnte. Die Preise explodierten. Das weiß ich von Carla, mit der ich mich ein paarmal unterhalten habe, wenn ich sie auf der Post oder auf dem Markt getroffen habe. Enrico suchte sogar in Umbrien, obwohl er eigentlich hier in der Gegend weiterbauen wollte. Denn Carla wollte Valle Coronata auf keinen Fall verlassen. Darum wundert es mich ja auch so, dass er an dich verkauft hat.«
    »Nach allem, was du erzählst, wundert es mich auch.«
    »Aber Enrico hatte mal wieder Glück. Hörte im Dorf das Gras wachsen und erfuhr von einer Ruine unterhalb Solata. La Roccia. Diese Ruine hat er ganz billig bekommen und ausgebaut. Aber ich weiß nicht, wie, ich war nie dort. Niemand war dort. Ich kenne keinen, der ihn da während des Ausbaus besucht hat. Die wenigsten wissen, wo das Haus überhaupt genau liegt. Ich würde es auch nicht finden. Ich glaube, er hat in Florenz irgendwann durch Zufall einen Mann kennen gelernt, der es ihm sofort abgekauft hat. Das war erst vor zwei Jahren. Na ja, und jetzt baut er wohl in der Nähe von San Vincenti, wie ich gehört hab.«
    »Ja, und da wohnt er auch schon. Vier Wochen hat er gebraucht, dann konnte er bereits in ein Zimmer einziehen.«
    »Siehst du!« Eleonore zog verächtlich die Mundwinkel herunter. »Das kann doch nichts werden. Wo solide Baufirmen mit fünf Mann sechs Monate arbeiten, baut Enrico allein drei Monate? Das muss mir erst mal einer erklären, wie das gehen soll.«
    »Er hat wenig von seiner Vergangenheit erzählt«, meinte Anne. »Er spricht einfach nicht gern über sich. Was weißt du von ihm?«
    »Auch nicht viel. Ich weiß nur, dass er überall rumerzählt, er wäre früher in Deutschland Manager gewesen. Aber mein Urinstinkt sagt mir, dass das nicht stimmt. Wenn dieser gute Mann Manager war, bin ich die Königin von England.«
    »Wieso?«
    »Hast du mal gesehen, wie er unterschreibt? Er schreibt nicht — er malt die Buchstaben. Wie ein Mensch, der in seinem Leben erst dreimal unterschrieben hat, und nicht wie einer, der am Tag dreißigmal unterschreiben musste.
    Seine Buchführung macht er mit Bleistift auf Karopapier, seine Ordner sehen aus wie ein Schnellhefter in der zweiten Klasse Grundschule. Er hat nicht die geringste Ahnung von Computern, Internet oder sonst was, die gesamte moderne Kommunikation ist an ihm spurlos vorübergegangen. So ein Mensch kann vielleicht im Wald überleben, aber kein Unternehmen leiten. Wenn man ihn reden hört, kann er alles, weiß alles und hat alles schon mal gemacht. Aber wenn man dann ein bisschen hinter die Kulissen guckt und ihm auf den Zahn fühlt, merkt man, dass alles nur vorgetäuscht, alles Lüge ist. Oder sagen wir mal besser, dass es Größenwahn ist. Er ist ein Größenwahnsinniger, Anne! Er wird auch nie sagen: >Davon hab ich keine Ahnung, das kann ich nicht...<, nein, er sagt: >Das Hochhaus konstruiere ich dir in einer Woche samt der Berechnung einer Brücke über den Pazifischen Ozean.<«
    Anne war sprachlos. »Ich weiß jetzt nicht, ob du so redest, weil du so wütend auf ihn bist, oder ob du ihn wirklich so gut kennst.«
    »Du musst mir das alles nicht glauben, ich will dich auch nicht

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