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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Sanfte sexuelle Verführung von hilf- und wehrlosem Opfer.« Dann schob sie Mareikes Nachthemd hoch und fuhr langsam mit ihrer Zunge über den Körper der Freundin. Mareike musste kichern und atmete tief aus. Endlich drehte sie sich zu Bettina um und nahm sie in den Arm.
    Eddas knappes Top endete unmittelbar oberhalb des Bauchnabelpiercings und des Taillen-Speckröllchens. Sie zog den Bauch ein, wie sie es sich angewöhnt hatte, und nahm gelangweilt den Kopfhörer ihres Discman ab.
    »Und in dieser Scheißgegend wollt ihr Urlaub machen? Ihr habt sie doch nicht alle!«
    »Wart's ab!«, meinte Bettina. »Wir sind ja noch nicht da. Außerdem wohnen wir nicht in einer Stadt, sondern auf einem Berg umgeben von Wald.«
    »Cool«, sagte der zwölfjährige Jan und knipste hektisch auf seinem Gameboy herum. Edda steckte sich wieder die Ohrstöpsel ihres Discmans in die Ohren und verdrehte die Augen.
    »Halt dich links«, sagte Mareike. »Fahr nicht geradeaus nach Montevarchi, sondern links Richtung Levane. Das ist eine Abkürzung.«
    Die Brille steht ihr gut, dachte Mareike nach einem kurzen Seitenblick, sie sieht aus wie eine kleine, verschrobene Bibliothekarin. Gefällt mir.
    Hinter Bucine wurde die Gegend ländlicher, und nachdem sie Ambra passiert hatten, fanden sie den Abzweig nach Montebenichi auf Anhieb.
    Und plötzlich waren sie in der Toscana. Liebliche Hügel mit mittelalterlichen Dörfern breiteten sich vor ihnen aus, Olivenhaine und Weinberge bestimmten die Landschaft. Ab und zu imposante, von Zypressen umgebene Natursteinhäuser, die alle durch ein Schild am Straßenrand auf ihren Agritourismus aufmerksam machten.
    »Na, es wird doch langsam«, knurrte Bettina.
    Der kleine Ort Montebenichi entsprach genau ihren Vorstellungen und Träumen.
    »La Pecora« war bereits angezeigt, und Bettina fuhr an der Osteria »L'Orciaia« rechts ab auf eine Schotterstraße, die links von einer Mauer und rechts von einem Schwindel erregenden Abgrund gesäumt war.
    »Was mache ich, wenn mir jetzt einer entgegenkommt?«
    »Dann fährst du rückwärts zurück bis zum Ort«, meinte Mareike und amüsierte sich über Bettinas entsetztes Gesicht.
    Der Abzweig nach La Pecora war leicht zu finden. Bettina fuhr äußerst langsam, da die Straße eigentlich keine Straße war, sondern vielmehr ein Feldweg mit tiefen Löchern und breiten Furchen, die der Regen in die Erde gespült hatte.
    Eleonore stand bereits vor dem Haus, als die vier ausstiegen. »Herzlich willkommen auf La Pecora«, sagte sie. »Wie schön, dass Sie alle gesund und munter angekommen sind!«
    Mareike und Bettina waren von der sehr ursprünglichen, verwinkelten Ferienwohnung mit schiefen Wänden, verwitterten Balken und alten Mattoni begeistert, und die große Terrasse mit dem atemberaubenden Blick über Täler und Berge entsprach genau Mareikes Vorstellungen.
    »Na, junger Mann«, meinte Eleonore zu Jan, »gefällt es dir hier?« Jan nickte etwas verunsichert. »Du wirst sehen, hier kann man wandern und Rad fahren, im Wald herumstrolchen, am Bach spielen und im See schwimmen. Ein Paradies für einen Jungen wie dich.«
    Jan strahlte. Das hörte sich gut an. Das war alles genau das, was er wollte. Er war sicher, dass es ein toller Urlaub werden würde, und beschloss, noch an diesem Abend zum Bach zu gehen, um die Gegend zu erkunden.
    77
    Kai blieb das ganze nächste Wochenende in Valle Coronata. Am Samstag erfuhren sie in der Bar von Ambra die Adresse von Filippo Torelli, der 1997 verschwunden war und in La Scatola mit seinen Eltern und zwei kleineren Geschwistern gewohnt hatte.
    Raffaella Torelli hatte üppiges, graues Haar, das sie mit einer gewaltigen Schildpattspange im Nacken zusammenhielt. Sie war höchstens einen Meter fünfzig groß und hatte winzige Kinderhände, an denen ihr Ehering wirkte, als käme er geradewegs aus dem Kaugummiautomaten. Sie trug ein langes, schwarzes Kleid, und der einzige Farbfleck an ihr war ein greller lila Lidschatten, mit dem sie ihre Augen eingerahmt hatte.
    Sie gab sich den beiden Deutschen gegenüber zurückhaltend und zugeknöpft, die etwas von Filippo und dem Umstand seines Verschwindens wissen wollten. Erst als sie hörte, dass die deutsche Frau selbst tun ein nie wieder aufgetauchtes Kind trauerte, fasste sie Vertrauen.
    Filippo war an einem warmen Sommermorgen, eine Woche vor den großen Ferien, wie jeden Tag um sieben von zu Hause losgelaufen. Er hatte ungefähr zwanzig Minuten Weg bis zur Schulbushaltestelle in Badia a Ruoti. Von

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