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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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dort fuhr er immer mit dem Schulbus bis zur Elementarschule in Ambra. Filippo war vergnügt und freute sich auf den Nachmittag, denn seine Maremma-Hündin Elisabetta hatte Junge geworfen, die jetzt vier Wochen alt waren und mit denen er bei diesem schönen Wetter auf der Wiese spielen wollte.
    Filippo ging wie jeden Morgen auf der Schotterstraße an Feldern und Wiesen vorbei, auf denen Roberto, der Schäfer, seine Schafe weiden ließ. Die beiden Hunde des Schäfers überfielen ihn wie immer mit lautstarkem, freudigen Gekläffe. Filippo streichelte sie kurz und ging dann weiter. Die Besitzerin des Agritourismus Hofes »Casa Emanuela«, Lisa, die immer um diese Zeit aufstand, erinnerte sich, auch an diesem Morgen das Gekläffe der beiden Schäferhunde gehört zu haben. Aber sie hatte nicht aus dem Fenster geschaut, sondern war stattdessen sofort ins Bad gegangen. Filippo hatte sie also nicht gesehen, aber sie vermutete, dass er wie jeden Tag um diese Zeit an ihrem Hof vorbeigekommen war.
    Lisa konnte nicht mehr sagen, ob ein Auto um kurz nach sieben an ihrem Haus vorbeigefahren war. In diesem Sommer hatte Enrico oberhalb von Casa Emanuela Casa Lascone, eine Ruine in einem Olivenhain, ausgebaut. Mehrmals am Tag fuhr er mit seinem zerbeulten Bus, in dem er Baumaterialien transportierte, hin und her. Lisa hatte nicht darauf geachtet, sie meinte, sie hätte Besseres zu tun gehabt.
    Filippo musste dann auf seinem Schulweg noch am Grundstück des Baustoffhändlers vorbei, aber das Haus war morgens um diese Zeit immer vollkommen verwaist, da die gesamte Familie im Geschäft arbeitete. Nur ein völlig verlauster Hund mit verfilztem Fell streifte unaufhörlich am Zaun entlang und bellte jedes Mal, wenn Filippo vorbeikam. Aber das Bellen dieses Hundes hatte niemand gehört. Kein Fußgänger, kein Autofahrer, niemand hatte Filippo von diesem Zeitpunkt an noch einmal gesehen.
    Filippo hätte anschließend noch an einer Schweinekoppel und einer Ruine vorbeikommen und ein kleines Wäldchen durchqueren müssen, bevor er die Bushaltestelle am Ortsausgang von Badia a Ruoti erreichte.
    An dieser Haltestelle war er nie angekommen, und bis heute gab es keine Spur und kein Lebenszeichen von ihm. Das war jetzt sieben Jahre her.
    Raffaella bekreuzigte sich dreimal, bevor sie sagte, dass sie nicht glaube, dass ihr Sohn noch lebe.
    Dann zeigte sie eine völlig überraschende vertrauliche Geste, indem sie Anne an der Hand nahm und mit ins Wohnzimmer zog. Äuf dem Kaminsims stand ein schwarz eingerahmtes Bild. Ein Porträt von Filippo. Ein kleiner Junge, der den Kopf zurückgeworfen hatte und aus vollem Hals lachte, sodass man seine unregelmäßigen Zähne sah. Die Schneidezähne standen etwas übereinander. Seine Haare waren stoppelkurz geschnitten, er sah aus wie ein quietschfideler Spross der Simpson-Familie.
    »Bello?«, fragte Raffaella mit Tränen in den Augen und streichelte das Bild.
    »Molto bello«, flüsterte Anne. Dann sah sie Kai an, mit einem Blick, der sagte: Komm, lass uns gehen, ich halte das nicht aus, hier kommen wir sowieso nicht weiter.
    Raffaella stellte das Bild zurück auf den Kamin und verließ hoch erhobenen Hauptes das Zimmer.
    Es wäre unhöflich gewesen, den Kaffee, den Raffaella ihnen anbot, abzulehnen. Also nahmen sie noch in der Küche Platz.
    »Filippos Geschwister waren noch zu klein, als Filippo verschwand«, sagte Raffaella. »Sie haben ihn vergessen. Mein Sohn Manuel ist jetzt elf. Genauso alt wie Filippo damals war. Jeden Morgen, wenn er in die Schule geht, durchlebe ich alles noch einmal und habe Angst, dass er nicht wiederkommt.
    Das ist die Hölle, sage ich Ihnen. Ich kann nichts tun. Ich bete und warte, bis ich höre, wie er über den Hof geht und unserer alten Emaillegießkanne einen Tritt gibt, sodass sie über den Kies scheppert. Ich lege sie jeden Tag an dieselbe Stelle, damit er ihr jeden Tag einen Tritt geben kann. Erst wenn ich dieses Geräusch höre, geht mein Leben weiter.«
    Die Carabinieri hatten einen Monat lang gesucht, wie bei Felix waren Felder und Wälder durchkämmt und die Seen von Tauchern abgesucht worden, man hatte Freunde, Verwandte, Bekannte, Nachbarn befragt, mit Filippos Schulkameraden und Lehrern gesprochen, fast jeder Bewohner Badia a Ruotis war verhört worden — alles ohne Erfolg. Filippo war wie vom Erdboden ver schluckt, noch nicht einmal seine Schultasche oder Teile seiner Kleidung tauchten auf, es gab nicht die geringste Spur.
    Raffaella erzählte, dass drei Jahre

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