Der Kindersammler
Satz sagen konnte. So anspruchslos war er. Fürs Bett war ihm alles recht, er war ein Nymphoman, ein regelrechter Macho, und sie war total naiv auf ihn hereingefallen.
An der Ausfahrt nach Bucine fuhr sie vorbei. Sie musste einen Umweg von zwanzig Kilometern machen und hatte das Gefühl nie mehr nach Hause zu finden.
Als sie endlich in Valle Coronata ankam, ging sie wieder langsam von Zimmer zu Zimmer und kontrollierte jedes Detail, um sicherzugehen, dass in ihrer Abwesenheit wirklich niemand im Haus gewesen war. Es war schon fast ein Ritual.
Dann legte sie sich in einen Liegestuhl unter den Nussbaum und lauschte dem Plätschern des Wassers, das über eine steinerne Stufe in den Naturpool floss. Sie hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, Harald anzurufen. Es wäre sicher gut, wenn er für ein paar Tage käme. Harald war durch und durch Realist. Er würde das Tal mit ganz anderen, mit pragmatischen Augen sehen. Sie würde ihm alles erzählen, was vorgefallen war, und vielleicht schaffte es Harald, sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Es gab zwei Häuser in einem einsamen Tal. Weiter nichts. Kein Geheimnis und niemanden, der ihr ans Leben wollte. Und einen charmanten Makler, mit dem sie eine schöne Zeit gehabt hatte, der ihr aber weder die Treue geschworen hatte noch ihr in irgendeiner Weise verpflichtet war. Sie wollte Harald die Affäre mit Kai nicht verschweigen, denn Harald sah die Dinge immer genau so, wie sie waren, und nicht anders. Das brauchte sie jetzt.
Anne beschloss, nur einen Moment zu entspannen und dann den Berg zum Telefonieren hinaufzusteigen. Fünf Minuten später war sie fest eingeschlafen.
»Anne, wach auf«, sagte eine Stimme, und Anne schreckte hoch. Es war stockdunkel. Vor ihr stand ein Mann, der ihr mit einer Taschenlampe ins
Gesicht leuchtete. Sie konnte nur den Umriss eines Körpers erkennen, aber die Stimme kam ihr bekannt vor.
»Ich bin's, Kai! Was zum Teufel machst du hier draußen?«
Langsam erinnerte sich Anne daran, was passiert war. Sie war im Liegestuhl eingeschlafen und hatte die Außenlaternen noch nicht eingeschaltet.
«Wie spät ist es?«, hauchte sie.
»Kurz vor elf. Warte, ich geh rein und mach erst mal Licht an.«
Anne setzte sich mühsam auf. Von dem ungewohnten Liegen im Liegestuhl taten ihr alle Knochen weh, und sie fröstelte. Sie trug nur ein T-Shirt, und die Nacht war kalt im Tal. In diesem Moment gingen die Außenlampen an und beleuchteten den kleinen Innenhof und einen Teil des Gartens bis fast hinunter zum Pool
Sie stand auf, streckte sich und wollte gerade ins Haus gehen, um sich eine Jacke zu holen, als sie die Löwin im Halbschatten hinter der toscanischen Treppe stehen sah. Sie hatte sich hinter einen Oleanderbusch geduckt und wirkte völlig verängstigt.
Augenblicklich stieg die Wut in ihr hoch. »Was soll das?«, zischte sie leise zu Kai, der gerade wieder auf die Terrasse kam. »Warum schleppst du dieses asoziale Gespenst hierher? Was spielst du für ein Scheißspiel mit mir, Kai Gregori?«
»Das will ich dir ja gerade erklären.«
»Setz sie meinetwegen in dein Auto. Wenn überhaupt, dann will ich allein mit dir reden. Was du in deiner Wohnung machst, geht mich nichts an, aber ich glaube nicht, dass ich deine Verhältnisse auch noch in meinem Haus empfangen muss!« Ihr Ton war scharf, und sie verschränkte die Arme, weil sie anfing, vor Kälte zu zittern.
Kai lächelte. »Du bist doch wohl nicht eifersüchtig, nur weil so ein armes Geschöpf in meiner Wohnung ein Bad nimmt und was isst! Ich kenne da jemanden, der brauchte vor einiger Zeit auch unbedingt eine Dusche!«
«Ja. Und eben drum weiß ich auch, worauf so etwas hinausläuft.«
Anne verschwand im Haus. Kai folgte ihr langsam. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Spüle und wartete, bis Anne wieder herunterkam.
»Ich verstehe ja, dass du sauer warst. Oder eifersüchtig. Aber ich verstehe nicht, warum du sie so zurichten musstest«, sagte Kai wütend. »Als ich nach Hause kam, sah sie aus wie ein Zombie. Ihr Gesicht war blutüberströmt!«
»Na und? Das ist doch nicht mein Problem! Ich hab sie nicht angerührt! Keine Angst, ich werde deine Verhältnisse schon am Leben lassen!«
»Die Küche war ein einziges Schlachtfeld, Anne. Müsli, Marmelade, Milch, alles auf der Erde! Allora verletzt und völlig verstört. Und als kleinen Gruß die Tüte mit deinen Lebensmitteln. Glaubst du, Allora hat sich selbst verletzt und die Küche verwüstet?« »Ich finde es
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