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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Körper, offenbar hatte er etwas gefunden und spürte einen Widerstand.
    Mit aller Kraft rammte er die Eisenstange wieder und wieder in den Pool und fluchte dabei.
    Anne beobachtete ihn vom Nussbaum aus. Vielleicht tut es ihm Leid, was er gestern Abend gesagt hat, dachte sie, sonst würde er dies jetzt nicht machen. Es ist schwer, mit ihm zu reden, aber manchmal kommt er zum Glück von allein zur Besinnung.
    Sie schmierte sich gerade ein Marmeladenbrot, als Harald einen Jubelschrei ausstieß. Gleichzeitig schoss ein dicker Wasserstrahl aus einem Rohr unterhalb der Mauer, die den Pool abstützte.
    Harald grinste befriedigt und kam zum Haus herauf. »Ich wasch mir nur schnell die Hände und zieh mir was über«, sagte er, »dann frühstücken wir in Ruhe bis das Ding leer ist, und anschließend können wir es sauber machen. Manchmal hilft eben nur rohe Gewalt. Weißt du einen Laden, wo wir einen neuen Abflussdeckel kaufen können?«
    Anne nickte, und Harald verschwand im Haus.
    Allora stand in ihrem Versteck und hatte alles beobachtet. Schon wieder war da ein Mann, den sie nicht kannte, deshalb traute sie sich auch nicht in Annes Nähe. Und auch dieser Mann machte merkwürdige Sachen am Pool. Und wieder lief alles Wasser aus dem Pool, wie damals, als der Teufel, der Diavolo, mit dem Kind auf dem Arm aus dem Haus kam.
    Allora hatte Angst. Eine eisige Gänsehaut kroch ihr den Rücken hinauf und über den ganzen Körper. Sie fing an zu zittern und hockte sich ins Gras. Die Rosen, die sie mitgebracht hatte, zerrieb sie zwischen ihren Fingern. Sie konnte nichts tun als abzuwarten und aufzupassen, was weiter geschah.
    Vier Stunden lag sie auf der Lauer. Dann hörten Anne und dieser Mann endlich auf, im Pool herumzuschrubben. Sie kletterten aus dem Becken, verstauten Besen, Schrubber, Gartenschlauch, Handfeger, Müllschippe und diverse Bürsten in dem kleinen Verschlag neben dem Bad und gingen ins Haus. Allora musste gar nicht lange warten, bis beide wieder auf den Hof kamen. Anne hatte eine Jeans und einen Pullover, der Mann eine bräunliche Cordhose und eine Lederjacke angezogen. Sie verschlossen das Haus sorgfältig, gingen zum Parkplatz und fuhren davon.
    Allora hatte noch gehört, wie Anne zu dem Mann sagte: »Wir versuchen es erst mal in Ambra, und wenn wir dort keinen Deckel kriegen, versuchen wir es in Montevarchi. Da kenne ich mehrere Geschäfte.«
    Die Sonne stand hoch über dem Tal. Allora hockte am Rand des Pools und wartete geduldig, bis der Boden durch die Wärme getrocknet war. Dann machte sie sich an die Arbeit.
    84
    Um Viertel nach zwei rief Carla an und sagte, dass sie gut in Hamburg angekommen sei und dass sie jetzt ins Krankenhaus fahren wolle, um ihren Vater noch einmal zu sehen.
    »Gut«, meinte Enrico. »Sei tapfer und melde dich morgen Abend wieder, ja?« »Ja, natürlich, das mach ich«, flüsterte Carla. »Und bitte vergiss nicht, dass ich dich liebe.« Dann legte sie auf.
    Enrico schaltete das Handy aus. Jetzt hatte er wieder anderthalb Tage Ruhe bis zum nächsten Telefonat.
    Es war alles völlig überraschend gekommen. Gestern Mittag stand plötzlich Fiamma vor der Tür. Hatte sie ihre Drohung von einem Besuch also doch wahr gemacht, die alte Schlampe, dachte Enrico und lächelte freundlich.
    »Fiamma! Wie schön, dass Sie mal vorbeikommen«, sagte er charmant. »Was darf ich Ihnen anbieten?«
    Fiamma sah sich aufmerksam um, während sie langsam näher tänzelte. Es gab für sie nichts Interessanteres als fremde Häuser. Wie ein Schwamm sog sie jedes Detail in sich auf und machte sich ein Bild von dem Menschen, der da lebte. Sie hatte es gar nicht abwarten können zu sehen, wie dieser gut aussehende Halbitaliener wohnte, aber ihr war keine Ausrede eingefallen, um einfach so vorbeizuschneien und ihre Neugier zu befriedigen. Heute Morgen war ihr dann der Zufall in Form des Postboten aus Ambra zu Hilfe gekommen, der ein Telegramm in der Hand hatte und nicht wusste, wie man nach Casa Meria kam. Enrico und Carla hatten bisher ihre Post immer direkt im Postamt abgeholt.
    Fiamma nahm das Telegramm und flötete, in Casa Meria wohnten Freunde von ihr, sie werde sofort hinfahren und das Telegramm abgeben. Der Postbote war äußerst zufrieden, fuhr zurück nach Ambra, und Fiamma ging ins Haus, um neues Make-up aufzutragen und sich etwas Besonderes anzuziehen.
    Fiamma und Enrico setzten sich unter den Feigenbaum. »Sie sehen fantastisch aus«, log Enrico, und Fiamma war entzückt. Dieser Mann gefiel ihr von

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