Der Kindersammler
Mal zu Mal besser.
Carla brachte Pfirsichsaft und Wasser zum Verdünnen.
»Wunderschön haben Sie es hier«, meinte Fiamma. »Es ist unbeschreiblich, was Sie aus diesem Haus, oder besser aus dieser Ruine gemacht haben. Ich kann das beurteilen, ich weiß noch sehr genau, wie es hier aussah, als die alte Giulietta mit Allora hier wohnte.«
»Allora, Allora...«, sinnierte Enrico. »Ich glaube nicht, dass ich sie kenne.«
»Das kann sein«, erwiderte Fiamma, »aber gesehen haben Sie sie bestimmt schon mal. Sie ist sehr mager, wirkt wesentlich jünger als sie in Wirklichkeit ist, hat strohiges weißes Haar und kann nur ein einziges Wort, nämlich >Allora< sprechen.«
Jetzt war Enrico alles klar. Allora war also die Hexe, die ihn beim Arbeiten beobachtet und die er beinah mit der Forke aufgespießt hatte. Aber jetzt, da er wusste, dass sie hier einmal gewohnt hatte, konnte er sogar verstehen, dass sie in ihrem Versteck gesessen und ihm zugeschaut hatte.
»Herrliches Wetter haben wir im Moment, einen Herbst... fast schöner als der Sommer! Man sollte jede Sekunde im Freien genießen!«
»Völlig richtig, aber wir haben noch viel zu tun. Bis zum Winter will Enrico das Haus fertig haben«, meinte Carla. Fiamma war ihr herzlich unsympathisch, und das strahlte sie auch aus.
»Ach«, Fiamma lächelte zuckersüß in Enricos Richtung, »es ist so wunderbar hier bei Ihnen, dass ich beinah vergessen hätte, warum ich überhaupt gekommen bin. Hier ..., der Postbote hat mir ein Telegramm mitgegeben ... Carla Rhode ...«, las sie betont langsam. »Sind Sie das?«
»Ja.« Carla nahm Fiamma das Telegramm aus der Hand und riss es auf. Sie überflog es mit einem Blick.
»Es ist von meiner Schwester«, sagte sie tonlos zu Enrico. »Papa ist tot. Ich muss nach Deutschland.« Dann lief sie ins Haus. Enrico übersetzte Fiamma, was Carla gesagt hatte.
»0 Gott, wie entsetzlich! Das tut mir aber Leid!« Fiamma stand auf, wenig begeistert, dass ihr Besuch so schnell und so abrupt endete.
»Wenn Sie das nächste Mal kommen, zeige ich Ihnen das Haus«, meinte Enrico. »Vielleicht im Frühling, dann ist es wenigstens fertig.«
Fiamma nickte und stolzierte zu ihrem Auto. Was für eine dumme, vertane Chance, dachte sie, aber verabschiedete sich überschwänglich und herzlich von Enrico. »Grüßen Sie Ihre reizende Freundin«, grunzte sie noch, bevor sie in ihr Auto stieg und davonfuhr.
Carla war sehr still. Sie sagte nicht viel und packte in Windeseile. »Wie lange willst du wegbleiben?«, fragte Enrico.
Carla zuckte die Achseln. »So lange es nötig ist. Meine Mutter braucht mich jetzt. Wir müssen mal sehen, ob sie überhaupt allein im Haus wohnen bleiben kann. Ich weiß es nicht, Enrico, ich weiß es wirklich nicht. Aber drei, vier Wochen bestimmt.«
»Ich baue dir einen Pool«, sagte er. »Wenn du wiederkommst, ist er fertig, und dann kannst du schon im Frühjahr baden.«
»Mach doch erst mal das Haus fertig«, erwiderte Carla trocken. »Ich finde es wichtiger, ein funktionierendes Bad und eine schöne Küche zu haben. Den Pool kannst du im nächsten Jahr immer noch bauen.«
»Ich dachte, du freust dich!« Er machte bewusst ein enttäuschtes Gesicht.
»Ich freu mich ja auch!«
»Na also.«
Die Diskussion war beendet. Er würde den Pool bauen, die Gelegenheit war günstig.
Carla erreichte in Montevarchi noch den Abendzug, mit dem sie die Nacht durch über Florenz ohne umzusteigen bis nach München durchfahren konnte. Eine weitere Verbindung nach Hamburg war von dort dann kein Problem.
Enrico winkte dem Zug nach, bis er Carlas zurückwinkenden Arm nicht mehr erkennen konnte, und dann war er endlich wieder allein.
Enrico schlenderte ums Haus und suchte nach einer geeigneten Stelle für den Pool. Er prüfte den Sonnenstand, beachtete, ob Eichen in der Nähe waren, deren Laub ständig in den Pool wehen würde, und untersuchte die Festigkeit des Bodens. Es bestand immer die Gefahr, dass ein Pool am Hang im Lauf der Zeit und nach starken Regenfällen abrutschen könnte.
Schließlich hatte er einen Platz gefunden, der nicht allzu weit vom Haus entfernt lag und seinen Ansprüchen genügte. Er begann, mit Stöcken und Bandmaß die Umrisse des Pools abzustecken, als er Stimmen hörte, die immer näher kamen. Wenn das so weiterging, musste er seine Pläne ändern. In Casa Meria ging es ja zu wie im Taubenschlag. So viel Besuch wie hier in den letzten Tagen hatte er in Valle Coronata in zehn Jahren nicht gehabt.
Er stützte sich auf
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