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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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leuchtet mir alles ein« sagte Anne. »Demnach können wir nichts, aber auch gar nichts tun?«
    »Man kann nur hoffen, dass der Täter nicht weitermordet oder beim nächsten Mal einen Fehler macht. Vielleicht wird er ja doch mal irgendwo von jemandem beobachtet, ich weiß es nicht.«
    Anne wirkte sehr nachdenklich. In die entstandene Pause fragte Mareike: »Dürfte ich vielleicht mal Ihre Toilette benutzen?«
    »Natürlich.« Anne zeigte ihr das Bad, und Mareike verschwand hinterm Haus.
    »Sie ist großartig findest du nicht auch?«, fragte Eleonore.
    »Ja. Es wäre zu schön, wenn sie sich um den Fall kümmern könnte, aber ich verstehe, dass sie Urlaub haben will.«
    »Ich ermittle in Deutschland auch in Sachen Kindermord«, sagte Mareike, als sie zurückkam und sich wieder an den Tisch setzte. »Aber unser Mörder ist etwas anders gestrickt als der Täter hier in der Toscana. Der deutsche Mörder hat zwar auch kleine Jungs umgebracht, die etwa in demselben Alter sind wie die vermissten Kinder hier, aber er hat bundesweit gemordet. Die Tatorte liegen hunderte von Kilometern auseinander. Und dann lässt er die Leichen nicht verschwinden, sondern präsentiert sie der Polizei geradezu auf einem goldenen Tablett, indem er kleine Szenen aufbaut, in die er die Leiche setzt, als wäre sie noch lebendig. Obwohl er uns jede Menge Anhaltspunkte gegeben hat, kommen wir ihm seit 1983 einfach nicht auf die Spur. Es ist für mich uner träglich zu wissen, dass der Kerl immer noch frei herumläuft und sich über die Polizei totlacht, die nicht in der Lage ist, ihn zu fassen.«
    »Ich hab da gar nichts von gehört«, murmelte Anne.
    »Der letzte Mord liegt jetzt auch bereits fünfzehn Jahre zurück. Aus irgendeinem Grund hat er aufgehört. Vielleicht lebt er nicht mehr. Das wäre das Beste, ich wüsste es nur gern. Wir haben auch seine DNÄ, aber das hilft uns nicht weiter. Er ist nirgends registriert, nirgends auffällig geworden, nicht vorbestraft. Was merkwürdig ist bei einem Triebtäter.«
    »In welchem Zeitabstand mordete er denn in Deutschland?« »Auch alle drei Jahre.«
    »Scheint eine beliebte Zeitspanne zu sein«, meinte Eleonore und grinste.
    »Möchtet ihr ein Glas Wein?« fragte Anne.
    »Für mich nicht!« Eleonore stöhnte. »Sonst überlebe ich den Rückmarsch nicht.«
    In der folgenden Viertelstunde redeten sie über das italienische Klima, das Essen, den Wein und die Italiener, und dann brachen Eleonore und Mareike wieder auf Mareike bat Anne, ein Foto von Felix behalten zu dürfen, nur so für alle Fälle. Anne überließ ihr gern eines und versprach, in der nächsten Woche einmal in La Pecora vorbeizukommen. Mareike bat Anne noch, ihrer Freundin Bettina nichts von dem Verschwinden der Kinder zu erzählen. Bet tina war mittlerweile allergisch gegen Mordfälle und vor allem gegen Mordfälle im Urlaub. Wenn sie erfahren würde, dass Mareike sich mit dem Fall—zumindest gedanklich — beschäftigte, würde sie ihr den Kopf abreißen.
    Anne versprach es und winkte noch, bis die beiden hinter der nächsten Bergkuppe verschwunden waren.
    Sie wird also zumindest darüber nachdenken, dachte Anne, sie kann einfach nicht anders. Vielleicht kommen wir ja doch noch ein kleines, ein winziges Stück weiter.
    Als Anne auf die Uhr sah, bekam sie einen Schreck. Es war kurz vor drei. Sie musste sich beeilen, wenn sie Harald pünktlich vom Flughafen abholen wollte. In Windeseile verstaute sie Wischeimer, Schrubber und Scheuerlappen, räumte die Gläser vom Tisch, fuhr sich mit einer Bürste durch die Haare, schloss das Haus sorgfältig ab und lief im Laufschritt zum Parkplatz, wo wie immer ihr Wagen geparkt war.
    83
    Die Maschine sollte um siebzehn Uhr fünf landen. Um siebzehn Uhr sechs kam Anne vollkommen abgehetzt in der Ankunftshalle auf dem Vespucci-Flughafen in Florenz an und war erleichtert, als sie auf der Anzeigetafel sah, dass der Flieger dreißig Minuten Verspätung hatte. So trank sie in der kleben Bar noch einen Espresso und setzte sich dann mit einem Buch auf einen der Stühle in der kleinen Vorhalle und wartete.
    Die Ankunftshalle war ungewöhnlich klein, in keiner Weise schön und entsprach sicher nicht den Erwartungen, die man hatte, wenn man in Florenz landete. Sie passte eher zu einem unbedeutenden Wüstenstaat als zu einer der wichtigsten Städte Italiens.
    Einige Italiener unterhielten sich laut, es war ihnen völlig egal, dass jeder mithören konnte, eine kleine, schwarzhaarige Italienerin trug ein riesiges

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