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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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seien. Sie hätten nicht bezahlt.
    »Keine Sorge«, sagte Anne. »Ich bezahle nachher alles zusammen.« Schließlich war sie auch eine Deutsche und wollte nicht, dass der schlechte Eindruck an allen hängen blieb.
    Was tue ich hier eigentlich, dachte sie. Sitze inmitten von tausenden Touristen in der Abendsonne, esse Kuchen, der nicht schmeckt, und begleiche die Rechnung für wildfremde Rentner, die dreister sind als eine Horde Jugendlicher, die sich Colabüchsen an der Tankstelle klauen und abhauen. Und warum habe ich ihn nicht mit aufs Zimmer genommen. Ein Quicki? Ein >One-Afternoon-Stand< , warum denn nicht? War sie irgendjemandem Rechenschaft schuldig? Nein. Niemandem. Zum ersten Mal wieder nach so vielen Jahren. Offensichtlich hatte sie verlernt, das zu tun, was sie wollte. Überhaupt herauszufinden, was ihr Spaß machte. Kai hätte es sicher genauso gesehen. Ohne Liebe, ohne Verpflichtung, ohne Nachspiel und ohne Fortsetzung. Vielleicht ohne Fortsetzung. Total unkompliziert. Reiner Sex. 0 Gott, wie lange war das her, seit sie das erlebt hatte? Mehr als zwanzig Jahre. Und vielleicht hätten sie dann noch den Abend miteinander verbracht, und sie müsste hier nicht sitzen und sich von alten Leuten verarschen lassen. Es wäre sicher wunderbar gewesen, und sie hätte sich wieder lebendig gefühlt. Und es hätte zu ihrem Neuanfang, ihrem neuen Leben gepasst. Ich bin zu blöde zu allem, dachte sie, ich habe es mal wieder vermasselt.
    Als sie merkte, dass sie begann, sich selbst auf die Nerven zu gehen, winkte sie dem Kellner, zahlte widerwillig und ging. Versuchte krampfhaft, ein lockeres Gesicht zu machen, damit ihr nicht jeder, der ihr auf dem Campo begegnete, an der Nasenspitze ansah, dass sie vor Verlangen, jetzt mit einem Mann zu schlafen, fast explodierte.
    38
    In dieser Nacht war er nicht bei der Sache und verlor ohne Ende. Er wusste, dass seine Glückssträhne abgerissen war, aber er trank zu viel Whisky und hörte einfach nicht auf. Er trauerte der verpassten Gelegenheit mit Anne hinterher und nicht den Euroscheinen, die er unaufhörlich über den Tisch schob, ohne Chance, sie jemals wiederzubekommen, geschweige denn zu vermehren. Giorgio sah ihn nur an und meinte, Liebe sei Gift für das Glück im Spiel, und Kai fragte: »Welche Liebe, bitte?« Daraufhin sagte keiner mehr et was. Solange er Geld aus der Tasche zog, gab es kein Problem.
    Gegen zwei Uhr war er so weit, dass er alles vom Tisch wischte, was darauf lag, und Karten und Geldscheine heillos durcheinander brachte, wodurch ein heftiger Streit entstand. Giorgio hatte ein Fullhouse auf der Hand und drohte ihm mit Prügel, Alvaro versuchte, das Chaos zu ordnen, und Kai schrie Giorgio, Alvaro und Sergio an, dass sie alle Arschlöcher seien. Daraufhin zog Sergio ein Messer, Alvaro versuchte zu schlichten, und Giorgio schlug zu.
    Kai ging sofort zu Boden. Das Blut schoss ihm aus der Nase. Die drei lehnten ihn aufrecht gegen die Wand, und als die Blutung aufhörte, musste sich Kai übergeben, was aber auf den übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen war.
    Er wachte auf, als sich die Sonnenstrahlen durch das schmierige und verstaubte Kneipenfenster quälten. Er lag auf dem kalten Boden, sein Schädel dröhnte und schmerzte dumpf, sodass er das Gefühl hatte, niemals mehr aufrecht gehen zu können, weil ihm sonst der Kopf platzen würde. Und er fror. Der Gestank nach abgestandenem Rauch und verschüttetem Whisky, der langsam verdunstete, ekelte ihn. Es war halb acht. Um zehn war er mit Anne verabredet. Wenn es ihm gelang, aus dieser Kaschemme herauszukommen, hatte er noch genügend Zeit, nach Hause zu fahren, zu duschen und einen Kaffee zu trinken.
    So ging es nicht weiter. Diese Abstürze mussten aufhören. Filmriss reihte sich an Filmriss, sein Leben drohte ihm zu entgleiten.
    Sie hatten ihn hier einfach liegen lassen, diese Idioten. Er stand mühsam auf, versuchte, den hämmernden Kopfschmerz zu ignorieren, und suchte nach dem Lichtschalter. Er fand ihn nicht. Fluchend stolperte er in den vorderen Raum mit dem Tresen und ertastete den Schalter hinter der Bar. Das Licht gab ihm das Gefühl, es sei schon wieder Abend, und obwohl er wusste, dass ihm mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit schlecht werden würde, zapfte er sich ein halbes Bier, das er in einem Zug austrank. Ihm wurde dermaßen übel, dass er Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
    Die Eingangstür war abgeschlossen. Natürlich. Sie würden nicht wegen eines volltrunkenen Maklers den Laden

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